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wm-#. ■'                                                                                             fieute nur w enigen Menschen offen, eben­
                                                                                                     so w ie die staatlichen Institutionen, die
                                              iA ;                                                   frü h e r fü r den arm en Menschen ein
                                                                                                     sicherer Schutz w a ren , heute bei w eitem
                                                                                                     nicht ausreichen. W ir haben z w a r zur
                                                                                                     Z eit a lle in in Berlin 155 A ltersheim e m it
                                                                                                     zusamm en 7484 Plätzen, W ir haben d a ­
                                                                                                     gegen 200 000 a lte Leute über Siebzig.
                                                                                                     G e w iß sind nichi a lle verlassen, h ilflo s
                                                                                                     und e rw erb su n fäh ig , m ehr als 7484 jedoch
                                                                                                     sind es bestim m t. — V on den 155 H eim en
                                                                                                     stehen 29 unter städtischer V e rw a ltu n g,
                                                                                                     47 w erden konfessionell g e le ite t, 48 p rivat.
                                                                                                     D rei H eim e g ib t es fü r v o rü b e rg e h e n d e
                                                                                                     Betreuung, eins d a vo n fü r aso zia le Ele­
                                                                                                     mente, die natürlich auch unter den be­
                                                                                                     tagten, sogenannten „a b g e k lä rte n " M en­
                                                                                                     schen einen gewissen Prozentsatz bilden.
                                                                                                     H inzu komm en 3000 N o tp lä tz e , die fü r
                                                                                                     a u ß ergew öhnliche K älte vorgesehen sind.
                                                                                                      Dieser m om entane Stand bedeutet
                                                                                                     gegenüber dem vom O k to b e r 1946 zu­
                                                                                                     sätzlich 30 H eim e m it zusam m en 1022
                                                                                                     Betten. Es b e d e u te t ein e n F ortsch ritt, a lso
                                                                                                     viel und w iederum w enig — gemessen
                                                                                                     z. B. an den u n z ä h lig e n L uxusgeschäften,
                                                                                                     die seither entstanden sind und deren
                                                                                                     A u fw a n d nicht bestim m bare Summen ve r­
                                                                                                     schlungen hat.

                                                                                                     Es ist so und w ir d w a h rs c h e in lic h im m e r
                                                                                                     so b le ib e n : Eine a n o m a le N o t a u f d e r
                                                                                                     einen Seite b e w irk t einen ebenso e xtre ­
                                                                                                      men Lebenshunger auf der anderen. Dem
                                                                                                      lauten Egoismus steht jedoch eine ent­
                                                                                                     sprechend stille und selbstverständliche
                                                                                                      O pferbereitschaft gegenüber — wenn
                                                                                                      auch nur im Kleinen.

                                                                                                      Um die 155 Heim e fü r a lte Leute instand
                                                                                                      zu setzen, mußte o ftm a ls ein u n vo rste ll­
                                                                                                      bares M aß an Energie a u fg e w a n d t w e r­
                                                                                                      den. Die meisten w a ren vo llstä n d ig bzw .
                                                                                                      te ilw e ise beschädigt. A n gefangen beim
                                                                                                      A n sta lts le ite r bis hinunter zum M a u re r
                                                                                                      w u rde ein überdurchschnittlicher Einsatz
                                                                                                      v e rla n g t, und h ie r „s p ra n g nichts d a b e i
                                                                                                      heraus", nicht mehr als eine norm al be­
                                                                                                      zahlte A rbeit. Das Ausbauen der Häuser,
                                                                                                      das W iederherrichten von Kasernen —
                                                                                                      denn auch Kasernen müssen heute in Er­
                                                                                                       m angelung anderer G ebäude zum Teil fü r
                                                                                                      diesen Zweck ve rw endet w erden — , die
                                                                                                       Inneneinrichtungen, das alles fo rd e rte
                                                                                                      nicht nur unerm üdliche A rb e it: H äufig
                                                                                                      mußte dabei Erschöpfung, M u tlo sig ke it
                                                                                                       und Ekel überw unden w erden. Die G e­
                                                                                                      bäude w aren teilw eise Augiasställe —
                                                                                                       ein p a a r W ochen N achkriegszeit hatten
                                                                                                       genügt, sie dazu zu machen. Und a ll die

Ibü Mann führt© den T itel » G e h e im ra t        F o to s: Ege

Möchten Sie alt werden?

Das ist heute keine harm lose Frage m ehr, zu d e r man bedenkenlos „J a "                           Luffschutzbeften, ein Strohsack und ein p aa r Decken — a b e r immerhin ein Dach über dem Kopf
sagt o d e r aus irgendeinem persönlichen G rund „N e in ". Das bedeutet v ie l­
m ehr d ie V ision von etw as Schrecklichem. A lt w e rde n heißt heute in den                                                              A u fn .j Im Städtischen Altersheim W e d d in g
m eisten Fällen h ilflo s sein, n u tzlo s, h e iß t a lle in ü b rig b le ib e n , sich selbst und
a n d e re n zu r Last.

Dieses Ende steht jedem von uns b e vo r — w enn auch nicht sicher, so doch
w ahrscheinlich. N u r die menschliche V e rg e ß lich ke it h in d e rt uns, da ra n zu
d e n k e n , so la n g e w ir noch nicht in dieses S tadium g e tre te n sind. Die V e r­
g e ß lich ke it hin d ert uns auch d a ran, entsprechend zu handeln.

Kann man heute a b e r vo rb e u g e n d etw as tun, um dem A ltw e rd e n seinen
Schrecken zu nehm en? So w ie frü h e r z .B ., w o d ie Früchte eines langen,
a rb e its re ic h e n Lebens in G e s ta lt e in e r Rente o d e r eines Sparkassenbuches
dem alten Menschen die sichere G e w ä h r gaben, das letzte K apitel seines
Lebens z w a r nicht u n b e d in g t in lie b e v o lle r U m h e g th e it, so doch frie d lic h
und m e n s c h e n w ü r d i g zu beschließen. Kann man heute, w ie es frü h e r
m ö g lich w a r, sich re ch tze itig in ein A lte rs h e im e in k a u fe n , das m an ke n n t
und a u f das m an sich seelisch v o rb e re ite te ? Diese M ö g lic h k e ite n stehen
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