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M an hat in den letzten Jahren gelernt, Leben nur nach seinem m ateriellen
N utzen zu werten. A u f G rund dieser gefährlichen Lehre em pfinden vie lle ich t
vie le die heutige Todesauslese, die in erster Linie unter den A lten, den H ilfÂ
losen und W iderstandsunfähigen gehalten w ird, für sinnvoller als jene des
Krieges, die unter der sogenannten „Blüte der Menschen" wütete. Bestimmt
Gb er — unc] dies g ilt es zu bedenken — ist in zw anzig Jahren die nächste
G eneration „d ra n ", die, de r es heute noch re la tiv gut geht! Und es g ib t eine
Kette ohne Ende, wenn nämlich die unselige Saat vom Unwertdes Lebens
vo ll und ganz aufgeht. Sanfte Mahnungen, christliche W orte der NächstenÂ
liebe verfangen nicht mehr. Sollte aber nicht doch der Appell an die V e ri
nunft oder an den nackten Selbsterhaltungstrieb helfen können?
W as also können w ir praktisch tun?
V on den 200 000 alten Leuten sind noch viele durchaus rüstig. M an kann
ihnen helfen, es auch noch längere Zeit zu bleiben. Dann h ilft man auch den
anderen, die mit unserer Laienhilfe nicht mehr zu retten wären, dadurch
nämlich, daß die Plätze in den Heimen allein fü r sie — diese Hilflosesten —
fre i bleiben. W enn also zum Beispiel in einer Hausgemeinschaft ein a lte r
Mensch, der noch laufen kann, jeden Tag in einer anderen Familie seinen
Platz am warm en O fen beziehen dürfte, und wenn jeder der anderen ihm
täglich eine Viertelstunde Zeit „o p fe rt", um eine Besorgung mit zu erledigen
oder ihm sonst einen
Friedlich und gem ütlich - auch so kann es sein. A u fn .: Im „Feierabendheim " de. Baptisten-Gemeinde kleinen Dienst zu erÂ
weisen, dann wäre das
A r b e it..; für andere, anonym. Das alles für Menschen, die alt waren und für die Helfenden
sowieso bald sterben würden.
wenig, für die Alten
Heute stehen die Heime. Jetzt heißt es, sie in Betrieb zu halten. Das Mühen aber, denen geholfen
und Sorgen geht w e iter, denn auch alle Sonderzuwendungen reichen nicht aus.
N ahrung, Kleidung, Heizung und alles N ö tig e muß herangeschafft werden. Es w ird, viel. Dann würde
fe h lt an allem . V iele der Heiminsassen schlafen ohne Bettwäsche und sind nicht das geschehen, was
mehr in der Lage, sich sauber zu halten. Das Pflegepersonal steht vo r keiner
leichten A u fg a b e : Selten bekommt es eine Anerkennung zu hören, manchmal w ir — du und ich —
vie lle ich t w ird es durch ein zufriedenes Lächeln belohnt, aber viel häufiger muß in dem uns verb le ibe nÂ
e i N ö rg e le i und Klagen hinnehmen. A lte Leute sind wunderlich und scheinen den Rahmen tun könnÂ
undankbar. W e r aber kennt die Summe der Erlebnisse durch ein ganzes langes
Leben, die sie dazu machte? W e r hat G edanken dafür? Die A lten sind heute, ten, was aber bisher
tro tz a lle r Fürsorge, vielfach nichts als Zahlen innerhalb eines Kasernenbetrie in den seltensten FälÂ
bes, bei deren W e g fa ll soundso viele andere w arten, nur, dam it sie nicht auf len getan w orden ist.
de r Straße o d er in einem Kellerloch sterben müssen.
Das w äre die prakÂ
Möchten Sie a lt w erden?
tische M öglichkeit geÂ
W ir werden alt, und keine Verneinung dieser Frage kann daran etwas ändern, wissermaßen in V erÂ
Es b le ib t nur eine Frage o ffen : Müßte nicht jeder einzelne alles tun, dieses A ltÂ
w erden so gut und fü r so viele w ie er es verm ag, erträglicher zu gestalten? tretung des Staats, der
Es ist einfach, dieses Problem der öffentlichen W o h lfa h rt zu überlassen. A nd ere rÂ
seits scheint vo r dem Ãœbermaß der Anforderungen die K raft des einzelnen zu w ir ja zu einem T eilÂ
gering, noch dazu, w o er fü r sich selbst ja ein ge rüttelt M aß an Sorgen und chen alle sind od er
N öten zu tragen hat. versuchen sollten zu
sein, was die V erantÂ
N un — w ährend des Krieges hatten die Menschen der ständigen Lebensgefahr
wegen sich zu kleinen Gemeinschaften zusammengeschlossen. Sie halfen sich wortung betrifft. DarÂ
gegenseitig. Sie m obilisierten A b w e h rkrä fte , die sich durch die Gemeinsam keit
m ultiplizierten. Das hat heute aufgehört. Die Lebensgefahr ist nicht mehr so Schlimm ist es fü r a lle , die im A lte r zur U ntätig ke it ver- über hinaus aber helÂ
offensichtlich, sic springt die Menschen nicht mehr an. Ist sie jedoch gerade fü r ctim m t sind . . . A u fn .: Im Städtischen Altersheim W edding fen w ir möglicherweise,
die Altera kleiner gew orden? w ieder eine BereitÂ
schaft zu schaffen, das
A lte r nicht nur zu
„ehren", sondern ganz
einfach Achtung vor
dem Leben schlechthin
zu haben — so, w ie
es einmal selbstver->
Sianülicn WO ,
H ier wurde das Altersheim offensichtlich ein wirkliches Zuhause m it gemeinsamen Aibeits- und flaudeistündcheil Selbsl der im Heim verbrachte Lebensabend bietet noch
A ufnahm en: Im Städtischen Altersheim C ha rlo ile n b u ig Freude fü r sich, und die Um welt