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§ # /A
GewerkschaftenWIR DEBATTIEREIV ÃœBER:

In unserem 'Dezember-Heft brachten wir den Heilrag von Dr. Rudolf X a lz „W iedersehen mit deutschen Wauen". Dr. K a lz schief] seine A us­
fü h r u n g e n m it einem A p p e ll an die deutschen J ra u e n , sich ge w erksch aftlich z u organisieren. W i r “erhielten daraufhin verschieden e Z uschriften, die die
fra g e aufwarfen, ob bei der heutigen sowohl innerdeutschen wie internationalen Situation der Gewerkschaften der Beitritt angebracht und gegeben sei.

Die Problem atik W a l t e r W e g n e r                                       1. D e r z w e i t e W e l t k r i e g h a t g r o ß e m a t e r i e l l e N o t  3. Die E n t wi c kl un g d e r n e u e n E i n h e i t s g e w e r k ­
                                                                                    geschaffen und die kapitalistische Wirtschafts­                                   schaften und ihre ideologische Orientierung
V o n d e n e rs te n loka le n B erufs verein e n h a b e n sich                   ordnung wesentlich erschüttert. Daraus resultiert                                  a b e r wird b e h i n d e r t durc h d a s in allen Lä n d ern
d i e G e w e r k s c h a f t e n übe ra ll in d e r W e l t zu mil­                der Zwang, eine neue Ordnung zu entwickeln.                                        gleichzeitige Bemühen der Kommunisten, über
lionenstarken Verbänden und damit zu einem                                           In d i e s e r P h a s e d e r gese lls ch af tli ch en Entwick­                 die Gewerkschaften zu größerem politischen
politischen Faktor erster O rd n u n g entwickelt. Ent­                              lung machen die Gewerkschaften eine W a n d ­                                     Einfluß zu gelangen.
standen als Selbsthilfeorganisationen zur A bw ehr                                  lung von Interessenvertretungen der A rbeitenden
kapitalistischer Ausbeutung, sind die G e w e rk ­                                  zu Mitträgern und Mitgestaltern der Wirtschaft                               W i e alles B es te h e n d e, so be finde n sich auch die
schaften im Laufe d e r J a h r z e h n te zu einer w e s e n t ­                   durch.                                                                       G e w e r k s c h a f te n im Schmelztiegel d e r Zeit. Die
lichen, die Gesellschaft m itgestaltenden Kraf.                                                                                                                  allgem eine U m w ertung aller W e r te hat auch sie
g e w o rd e n . Sie sind d e sh a lb nicht m ehr nur eine                     2. N a c h d e m Krieg h a t d ie G e w e r k s c h a f t s b e w e ­             erfaßt. Ihre Zukunft wird bestimmt von den g roßen
Angelegenheit der organisierten Arbeiter und An­                                    g u n g in vie le n Lä nde rn , so au ch in D e ut sc hla nd,                wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen und
gestellten, sondern verdienen allgemeines Interesse.                                ihre politische und konfessionelle Aufspaltung                               v o n d e n in d e n G e w e r k s c h a f t e n selbst w ir k e n d e n
                                                                                    organisatorisch überwunden.                                                  Kräften.
Die gegenw ärtige Problematik der Gewerkschafts­
b e w e g u n g ist v o n drei w e s e n tl ic h e n M o m e n t e n
bestimmt:

Wie eine Arbeiterorganisation ihren M itgliedern am besten dient G e o r g e S i l v e r , Mitglied der CIO - Gewerkschaften

Die m odernen G ew erkschaften entstanden und                                  M einungsäußerung, der Religion und der politischen                               in e in e r D e m o k r a t i e h ä n g t a b v o n d e r fu n d ie rt en
bre ite n sich w e i t e r aus, weil sie e in e r g r u n d l e g e n ­        Ü b e rz eu g u n g garantieren. Die W a h l o rd n u n g muß                     Meinung und der wachsamen Aktivität des ein­
den Notwendigkeit entsprechen. Arbeiter organi­                                so sein, d a ß sie aufs bestmögliche den Willen der                               zelnen.
sierten sich, um ihre Interessen zu sichern, ihr                               M itg li e d er ü b e rs e tz t in H a n d l u n g und Politik. G e ­
wirtschaftliches W o h le r g e h e n zu fö rd ern und ihr                     heime Abstimmung, d a s Recht, Befugnisse zurück­                                 e) W i r k s a m e B e z i e h u n g e n z u r Ö f f e n t ­
demokratisches Recht w ahrzunehm en, die Bedin­                                zunehmen, die Möglichkeit, wichtige Fragen durch                                  l i c h k e i t . G ewerkschaften sind eine wichtige
g u n g e n zu form en, unter d e n e n Einzelmenschen ihr                     ein Referendum an die Mitglieder entscheiden zu                                   soziale Einrichtung. A b e r doch nur eine von vielen.
eigenes Leben entwickeln können. Seit ihrem                                    lassen und ferner d as Recht, die G ew erkschafts­                                D e r Einfluß d e r G e w e r k s c h a f t e n ist v e r s t ä r k t durc h
Beginn hatten Gewerkschaften gegen Regierungen                                 verfassung abzuändern, sind einige M om ente einer                                das M a ß an Verständnis für ihre Ziele und Pro­
zu kämpfen, die sie e n tw ed e r als ungesetzlich                             demokratischen Gewerkschaftsverfassung.                                           g r a m m e in d e r G e s a m t h e i t d e r S t a a t s g e m e i n s c h a f t .
erklären oder ausbeuten wollten, gegen Arbeit­                                 b) O r g a n i s a t o r i s c h e U n a b h ä n g i g k e i t .                  S a u b e r k e i t in d e r G e w e r k s c h a f t s v e r w a l t u n g , d e m o ­
geber, die sie zu vernichten o d e r zu beherrschen                            Eine G e w e r k s c h a f t ist v o n ihren Mitgliedern für                      kratisches Vorgehen und intelligente Planung des
suchten, gegen G efahren von außen wie von                                     ihre Mitglieder organisiert. Sie kann nicht d as                                  Programms sichern sowohl eine loyale Mitglied­
innen, wie sie jede O rganisation b ed ro h en : selbst­                       W erk zeu g A ußenstehender sein — w er immer dies                                schaft als auch die Unterstützung durch die Öffent­
süchtige Cliquen, überspitzte Bürokratie, fremde                               sein m ag — und dabei gleichzeitig ihren Mitglie­                                 lichkeit. Diktatorische M e th o d e n , V orherrschaft
Elemente, die bestrebt sind, die O rganisation für                             dern dienen. Ihre g rundlegende Stärke beruht auf                                 einer kleinen Clique, ein Mißbrauch der O r g a ­
andere Zwecke zu mißbrauchen.                                                  ihrer eigenen menschlichen und finanziellen Stärke.                               nisation von oben herab stoßen die Mitglieder ab
                                                                                                                                                                 und sch ä d ig e n die G e w e r k s c h a f t in d e n A u g e n
Auf die Dauer kann eine Gev/erkschaft nur dann                                 c) W a c h s a m e M i t g l i e d s c h a f t . In e i n e r                     jener, d eren Mitarbeit und Unterstützung sie sucht.
erfolgreich sein, w enn sie ihre U nabhängigkeit                               dem okratischen G ewerkschaft liegt die Macht bei                                 A b r a h a m Lincoln hat einmal g e sa g t: „M a n kann
so r g f ä lt ig w a h r t , w e n n ihre M i tg li e d e r ak tiv in ihr      den Mitgliedern. Dauernde Aktivität und W ac h ­                                  einige Leute immer überlisten; man kann alle
tätig sind und eine Leitung w ählen, die wirklich                              samkeit erhalten diese Macht. Mangel an Interesse                                 Leute eine Zeitlang überlisten; a b e r man kann
r e p r ä s e n t a t i v ist, w e n n durch E r zi eh u ng un d frei e        o d e r bli n d e s V e r t r a u e n in ein ig e Führer w ir d mit               nicht alle Leute die g a n z e Zeit überlisten." Diese
Diskussion die einzelnen Mitglieder zu einer un­                               Sicherheit die Verfälschung der Organisationsziele                                B eo b a c h tu n g b e z i e h t sich a u f alle menschlichen
spaltbaren Einheit zu sam m engefügt werden.                                   zur Folge haben.                                                                  Einrichtungen, ganz besonders ab er auf die
                                                                               d) A r b e i t e r e r z i e h u n g . Die A r b e ite r mü sse n                 Gewerkschaft. Denn eine Gewerkschaft basiert
Folgende Faktoren tragen dazu bei, eine G e w e rk ­                           sich in s o z ia le n un d wirtschaftlichen P r o b le m e n                      entweder auf gegenseitigem Vertrauen, brüder­
schaft ihren Mitgliedern nutzvoll zu machen:                                   schulen, um die Fragen zu verstehen, denen sie                                    lichem Zusammenspiel und einem klaren u n a b ­
a) E i n e d e m o k r a t i s c h e V e r f a s s u n g .                     sich als Einzelpersönlichkeit, als A rb eiter und als                             hängigen Programm o de r — sie hört auf, eine
 Die Verfassung der Gewerkschaft muß die dem o­                                Staatsbürger g egenübersehen. Sozialer Fortschritt                                G ewerkschaft zu sein.
 kratischen Rechte des einzelnen auf Freiheit der

D ie berufstätige Frau und die Gewerkschaften S u s a n n e R ä d e r - G r o ß m a n n , Frauenrefeientin d e ’ Gewerkschaft der Techniker und li erkmeist ei imFDGB

Die F r a u e n b e r u f s a r b e i t ist keine v o r ü b e r g e h e n d e  Kreis, d e r für „ u n w ic h t ig e r e A n g e l e g e n h e i t e n " d e n    für die Erschließung neuer Arbeitsplätze wichtig.
Erscheinung. Deshalb kommt es darauf an, daß                                   F r a u e n z u g e w i e s e n ist, m u ß fallen.                                Die Frau muß Freude an ihrer Arbeit haben,
die Frauen, denen die Berufstätigkeit von außen                                                                                                                  Neigung und Talent müssen Berücksichtigung
her, also durch die wirtschaftlichen und sozialen                              In d e n G e w e r k s c h a f t e n h a b e n d ie a r b e i t e n d e n         finden. Die gutbezahlten Arbeitsgebiete dürfen
Verhältnisse aufgedrängt wurde, eine innere Selb­                              Frauen die Möglichkeit, für ihre beruflichen Forde­                               nicht allein den M ännern Vorbehalten bleiben.
ständigkeit und Beziehung zu ihrem Beruf ent-                                  rungen selbst einzutreten.                                                        N u r d a s K önne n, nicht d a s G eschle cht soll e n t ­
yrickeln. Die Frauen müssen Einfluß g e w in n en a u f                                                                                                          scheiden.
allen G ebieten des öffentlichen, politischen, wirt­                           D as Eindringen d e r Frau en in fr ü h er d e n M ä n n e r n                    Ein g u t Teil w e s e n t l i c h e r F o r d e r u n g e n k o n n t e v o n
schaftlichen und sozialen Lebens, um eine neue                                 v o r b e h a l t e n e B e r u f e (in Berlin s ind z u r Ze i t e t w a         den Gewerkschaften schon verwirklicht werden.
Kultur au fb au en zu helfen. Voraussetzung dafür                              60 000 F r au e n in a u s g e s p r o c h e n e n M ä n n e r b e r u f e n      Um die noch immer stark auftretenden Gegensätze
ist ein e v o r b e h a ltlo se Zulassung zu allen A u fg a b e n ,            tä ti g) e r f o r d e r t u. a. e i n e Ü b e r a r b e i t u n g u n d N e u ­  von Mann und Frau auszugleichen und erzieherisch
gleichberechtigt mit allen M ännern. Die zum a u t o ­                         formulierung der Arbeitsschutzgesetzgebung. Um                                    auf eine Neuformung der Geschlechterbeziehungen
ritären Grundsatz gew ordene grobe Zweiteilung der                             n e u e A rb e its p lä tze zu ers chli eßen, ist e in e Ü b e r ­                einzuwirken, müssen die Frauen mehr als bisher
m enschlic hen G e se ll s ch a ft in e in e n g r o ß e n Kreis,              prüfung der Beschäftigungsverbote notwendig.                                      von ihren organisatorischen und gesetzlichen
in d e m die M än n e r dominieren, und den kleineren                                                                                                            Möglichkeiten Gebrauch machen.
                                                                               Auc h di e Um- u nd W e i t e r s c h u l u n g d e r F r a u e n ist
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