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Und doch sind junge Menschen da, deren g
                                                                                                                                                                                  instinktives G efühl ihnen auch eine richtige Ha
                                                                                                                                                                                  tung g ib t, daß das, was das Leben zu bie en ,
                                                                                                                                                                                  n ur Sinn e rh ä lt, //e n n m an dem a lle n als fre ie r
                                                                                                                                                                                  und a u fre c h te r M ensch begeg n e n kann. Sie w o
                                                                                                                                                                                  h ie rb le ib e n aus der natürlichen Bindung zu den
                                                                                                                                                                                  M enschen, m it denen s ie . aufwuchsen, zu em
                                                                                                                                                                                  Platz, w o sie g e b ore n sind, zu der Sprache, ie
                                                                                                                                                                                  vo n G e b u rt 'an die v e rtra u te ist. Die B egntt
                                                                                                                                                                                  V a te rla n d und M uttersprache stellen etwas senr
                                                                                                                                                                                   Positives d a r, w enn sie m it echtem Freiheitsem ptm -
                                                                                                                                                                                   den verbunden sind, aus dem heraus man nie das

                                                                                                                                                                                  Recht eines a n d e re n o d e r eines a [1cl®ren ° ef
                                                                                                                                                                                  schmälern könnte. Die Jugend muß fü r die Au -
                                                                                                                                                                                  gäb e geweckt w erden, die dann hegt, aut Brach­
                                                                                                                                                                                  la n d P io n ie r zu sein. G ib t es denn letzten Endes
                                                                                                                                                                                  noch etwas Inhaltsvolleres, G rößeres fü r den jun­
                                                                                                                                                                                  gen Menschen, als mit den eigenen an en
                                                                                                                                                                                  eine neue und bessere W e lt von vorn aufzubauen
                                                                                                                                                                                  und aus d er Phantasie schöpfend an dem Geschic
                                                                                                                                                                                  seines V o lk e s g e s ta lte n zu d ü rfe n ? Ein Schicksa
                                                                                                                                                                                  — m ag es noch so hart und trostlo s erscheinen —
                                                                                                                                                                                   ka n n ü b e rw u n d e n w e rd e n , w enn nur ein ei en
                                                                                                                                                                                   schaftlicher W ille und eine echte C ourage v o r­

                                                                                                                                                                                  handen sind.
                                                                                                                                                                                  Bei je d e r Sache, d ie r .a n g e w in n e n w ill, g ib t es so­
                                                                                                                                                                                  v ie l Chancen, als da Menschen m it entsprechender

                                                                                                                                                                                  H a ltu n g und fre ie r Seele sind. U nd es fa lle n m ir
                                                                                                                                                                                  d ie Sätze A n d re G id e s e in : „ In e in e r Z eit, in d e r
                                                                                                                                                                                  m ir alles, was den W e rt des Menschen ausmacht,
                                                                                                                                                                                  seine Ehre und seine W ü rd e , so gefährlich von
                                                                                                                                                                                  a lle n Seiten b e stürm t zu w e rd e n scheint, ist das

S tudenten d e r P ra ge r K a rls u n iv e rs itä t, d ie das J u b ilä u m ihres  6 0 0 jä h r ig e n B e s te h e n s f e ie r te , im H ö r s a a l • A u f n a h m e : LlS8  e in zig e, fü r das w ir noch leben, w as uns überhaupt
                                                                                                                                                                                  zu le b e n v e ra n la ß t: zu w issen, da ß es unter en
, m 4. A p ril dieses Jahres w u rd e in Prag der                                   ^ £^4             urisyettfyß                                                                 heutigen jungen Menschen doch einige, und seien
600'iährige G rün d un gstag de r K arlsuniversität ge­                             C S S e r ie lle                                                                              es noch so w e n ig e und in w elchem Lande im mer,
fe ie rt. Aus A nlaß der Feierlichkeiten sprach d o rt                                                 igL&l'.                                                                    g ib t, d ie sich je tz t nicht ausruhen, d ie ih r m o ra ­
zum erstenm al seit der komm unistischen M acht                                      'C cu Ä t                                                                                     lisches und g e istig e s Leben re in h a lte n und sic
Übernahm e in d e r Ö ffe n tlic h k e it der S taatspräsident                                                                                                                     erh e b e n ge g en je d e to ta litä r e P a role und jede Ein­
Benesch. „M a n müsse", so sagte er, „d ie Freiheit,                                E in e B etrachtung                                                                            stellung, die d a ra u f ausgeht, den Gedanken abzu­
die die V oraussetzung a lle n geistigen Lebens ist,                                von Annedore Leber                                                                             lenken, abhängig zu machen oder zu knechten,
e n tw icke ln ." Seine W o rte w aren an die Studenten                                                                                                                            die Seele — denn gera d e um die Seele geht es.
 Prags g e ric h te t. Etwa 5000 vo n ihnen h a tte n in den                                                                                                                       zu b ind en, zu wissen, daß es solche junge Leute
 entscheidungsschweren Tagen des tschechoslowa­                                                                                                                                    g ib t, daß sie, die das Salz der Erde sind, leben:
                                                                                                                                                                                   die sm a l zum al e rh ä lt uns A lte n das V e rtra u e n , ies
 kischen V olkes v o r dem P rager Schloß d e m o n strie rt,
 ln ihnen lebte nämlich jener von Benesch zitie rte                                                                                                                                ist es, das m ir, d e r ich schon so a lt, so nah am
 G eist, jene geistige K raft, die unserer Ansicht nach                                                                                                                            Rande des Lebens b in , e rla u b t, nicht in V e rzw e i -

                                                                                                                                                                                    lung zu sterben.

d ie V oraussetzung je d e r Freiheit ist.
W e n n auch den Studenten die A usw irkung ihres
Protestes ve rsa g t b lie b , so haben sie doch vie l
fü r ih r V o lk getan. D enkt man an sie, so denkt
man auch an die Studenten Berlins. Der V ergleich

d rä n g t sich einem g a n z u n w illk ü rlic h a u f. U nd man

e rin n e rt sich je n e r W o r te , d ie d a a u fh o rch e n

ließen: W ir Berliner Studenten w o lle n ohne Be­
schränkung des Geistes und ohne Beeinträchtigung

unserer Freiheit unseren A ufgaben nachgehen kö n ­

nen. W ir w ollen hierbleiben, w e il hier unser

P latz ist.
Ein A usspruch, d e r in einem sch a rfe n K o n tra st zu
d e r B e h a u p tun g steht, d a ß es d ie Ju g e nd Deutsch­
lands nach draußen zöge. G ew iß sagt so m an­
cher ju n g e M e n sch : „ W o es m ir g u t g e h t, ist m ein
V a te rla n d ." W o b e i a b e r nicht die m iserable, um
nicht zu sagen v e rzw e ife lte Lage d er deutschen
J u g e n d vergessen w e rd e n so llte . W ie sieht es nach
einem zertrüm m erten Idealismus aus? W ie schmeckt

nach der Rückkehr aus dem Krieg der a llz u o ft

sch e ite rn d e Versuch, sich einem e in ig e rm a ß e n p a s­

senden Beruf zuzuw enden, w ie eine trübe Ftoff-
nu n gslosigke it, w ie das K am pieren in einem Loch,
das kaum als W o hnraum bezeichnet w erden kann.

Es fe h lt an G e ld , Freuden, ja auch an den fü r
den jugendlichen K örper d o p p e lt notw endigen
N ah ru n g sm itteln. Und w o ist die Professorenschait,
die e in e r studentischen Jugend w irklichen H alt,
dieses von innen kom m ende Streben, diesen k la ­
ren und kühnen G eist verm itteln kann, ohne
w elche Voraussetzungen keine fre ie , w issenschaft­

liche Forschung m öglich ist.
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