Julius Leber

 

jlportbearb

Julius Leber

∗ 16. November 1891 in Biesheim im Elsaß
†   5. Januar 1945 in Berlin

sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter, Journalist, deutscher Widerstandskämpfer

 

 

Julius Leber wurde am 16. November 1891 in dem oberelsässischen Bauerndorf Biesheim geboren. Er wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf: Der Vater war Maurer, die Mutter bearbeitete einige Stücke Land. Julius Leber besuchte zunächst die Dorfschule, später die Realschule. Er studierte danach als Stipendiat bis zum Kriegsausbruch 1914 Volkswirtschaft und Geschichte in Freiburg. Schon zu Schulzeiten fühlte sich der Arbeiterjunge politisch bei den Sozialdemokraten beheimatet.

Offizier im Ersten Weltkrieg

Leber meldete sich, wie viele junge Männer der Kaiserzeit, zwei Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges freiwillig und kam rasch an die Front. Als Leutnant wiederholt ausgezeichnet, bezeichnete er dennoch im Nachhinein den 1. August 1914 als Fluch seiner Generation. Die Fronterlebisse hatten ihn entscheidend geprägt. Nach dem Ende des Krieges diente Leber noch weiter in der Armee und nahm seinen Abschied erst nach dem Kapp-Putsch 1920, um in Freiburg zu promovieren.

Beginn des politischen Lebens

Ein Jahr später zog Julius Leber nach Lübeck und wurde dort Chefredakteur der Zeitung „Lübecker Volksbote“. Hier begann sein eigentliches politisches Leben, das bis zu seinem Tode andauern sollte. In Lübeck gab es eine der stärksten Organisationen der Sozialdemokraten, und Leber wurde dort bald einer der führenden Köpfe. Er war ein Mann der Tat – so beschreibt ihn auch Willy Brandt, der vor 1933 in der sozialistischen Jugendbewegung Lübecks war und als Schüler im „Lübecker Volksboten“ mitarbeitete: „Julius Leber verstand zu überzeugen. Er verstand mitzureißen und, wenn es nicht anders ging, auch dazwischen zu hauen.“ Schon 1921 wählte man Leber in die Lübecker Bürgerschaft, die in der Freien und Hansestadt Stadtparlament und Landtag zugleich war. Im Laufe der Jahre wurde Leber dann auch außerhalb Lübecks politisch immer stärker in Anspruch genommen, galt als „kommender Mann“. 1924 wurde er Reichstagsabgeordneter der SPD. Er setzte sich in den folgenden Jahren als Politiker aktiv für die Festigung der Weimarer Republik ein. 1927 heiratete er Annedore Rosenthal.

Mordanschlag in Lübeck

1933, in der Nacht, die der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler folgt, wird Julius Leber in Lübeck von fünf nationalsozialistischen Rowdys überfallen. Ein paar Reichsbannermänner kommen Leber zu Hilfe, einer der Angreifer stirbt. Lebers Nasenbein wird bei diesem Mordanschlag durchschnitten. Obwohl es sich eindeutig um Notwehr handelt, verhaftet man Julius Leber trotz seiner Immunität. Auf Intervention der Lübecker Arbeiterschaft und gegen Kaution wird er Februar 1933 noch einmal freigelassen und euphorisch von der Arbeiterschaft begrüßt. Er kann zwar kaum sprechen, ruft aber den Versammelten ein letztes „Freiheit!“ zu. Julius Leber wird nach seiner Abreise zur Erholung nach Bayern nicht mehr als freier Mann in die Hansestadt zurückkehren.

Inhaftierung und Aufenthalt in Konzentrationslagern

Am 23. März 1933 sollte die Reichstagssitzung zum Ermächtigungsgesetz in Berlin stattfinden. Obwohl vor der Teilnahme daran gewarnt, fuhr Leber trotzdem dorthin und wurde beim Betreten der Kroll-Oper, dem provisorischen Sitz des Reichstages, von der Polizei und der SA gefesselt und abgeführt. Nach einigen Monaten Schutzhaft bei der SA verurteilte man Julius Leber in einem so genannten ordentlichen Verfahren zu einer Gefängnisstrafe von 20 Monaten im Zuchthaus Wolfenbüttel; er habe zwar in Notwehr gehandelt, sei aber der „geistige Urheber“ solcher Kampfesmethoden gewesen. Nach der Haft in Wolfenbüttel wurde Leber direkt in das KZ Esterwegen bei Papenburg überführt. Von dort ging es weiter nach Oranienburg, denn die Nationalsozialisten stuften ihn als gefährlichen Gegner ein, der wisse, worauf es ankomme.

Deckname „Kohlenhändler“

Erst am 5. Mai 1937 wurde Julius Leber wieder aus dem KZ entlassen. Gustav Dahrendorf, Mitglied der Verschwörung des 20. Juli, erzählt: „Gewiss, die vier Jahre Konzentrationslager waren nicht spurlos an ihm vorüber gegangen, aber er war ungebrochen, körperlich, geistig und seelisch.“ Sofort nahm Leber seinen Platz im Widerstand ein. Als Tarnung diente ihm die Beteiligung an der Kohlenfirma „Bruno Meyer Nachf.“ in der Torgauer Straße in Schöneberg. Bundespräsident Theodor Heuss erinnert sich: „Die zwei kleinen Zimmer in dem fragwürdigen Häuschen (…) zwischen den Kohlenbergen der Firma Bruno Meyer Nachf. waren eine rechte Verschwörerbude. Manchmal klingelte es an der äußeren Tür, und Leber musste dann wohl in den vorderen Raum, um einen Kunden zu vertrösten. Aber in der Hinterstube, auf verhockten Sesseln, hatte die politische Leidenschaft ihre Herberge, verachtender Haß und brennende Liebe“.

Leber findet zum Kreisauer Kreis. Die Attentatsversuche auf Hitler, derer es mehr als nur den vom 20. Juli gegeben hat, nehmen im Grunde in dieser Kohlenhandlung ihren Anfang. Leber ist sogar nach einem Sturz des Terror-Regimes für den Posten des Innenministers vorgesehen. Der Sozialdemokrat fungiert als Bindeglied zwischen Bevölkerung, Militär, Arbeiterschaft und Parteien, schafft ein Netzwerk. Er versucht, den Widerstand auf eine möglichst breite Basis zu stellen, und hätte beinahe auch die KPD mit ins Boot geholt.

Verhaftung und Ermordung in Plötzensee

Bei einem geheimen Treffen mit Vertretern der damals illegalen KPD ist jedoch auch ein Spitzel der Gestapo, Ernst Rambow, anwesend. Dieser denunziert Julius Leber: Am 5. Juli wird der Widerstandskämpfer verhaftet. Theodor Heuss erhält die Nachricht: „Der Kohlenhändler ist nicht mehr da.“ Bei zahlreichen Verhören gefoltert und misshandelt, kann Leber jedoch nicht zu einem so genannten „Geständnis“ gezwungen werden. Am 20. Oktober findet im Volksgerichtshof unter dem Vorsitz des berüchtigten Richters Freisler Lebers Prozess statt. Julius Leber beeindruckt, weil er sich von dem geifernden, schreienden Richter nicht aus dem Konzept bringen lässt. Freisler verhöhnt Leber als „Lenin der deutschen Arbeiterbewegung“ und verurteilt den Widerstandskämpfer schließlich zum Tode. Julius Leber wird am 5. Januar 1945 in Plötzensee hingerichtet.

Petra Mühlenbrock