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E R Z Ä H L U N G VON H E N R I D U V E R N O I S

Zeichnung
von Mia Lederer

A ls man sie zum erstenmal bei der Baronin           Vormund, Herrn Latistien, verwaltet, einem ä lte ­                                                  N achdruck aus „Les Souliers de M ona"
                                                     ren und in geschäftlichen A n geleg en heiten er­
Foyetle sah, riet al!e Welt: „Welch ein schönes      fahrenen und vorsichtigen Mann.                          Ein M üßiggänger is, nicht immer der beste Ehe­
Paar!" Es war in der la t ein Paar, wie man es                                                                gatte, da g e b e ich Ihnen recht, doch ist er der
im täglichen Leben selten trifft. Robert Tavernon    Robert Tavernon wurde Marceline Frejos bei               beste G eliebte. Das, w as Ihr Mündel braucht,
war groß und hellblond und schon ein wenig           der Baronin Foyette mit dem gleichen Stolz               ist ein Mann, der ihr Gatte und ihr Geliebter
stark, obgleich er erst 27 Jahre alt war. Er war     vorgestellt, den die Züchter wertvoller Tiere            ist und der sie zu zügeln weiß. Ich schätze,
äußerst e leg ant, hatte ein e schmale Taille und    an den Tag legen. Sie tanzten. Die anderen               d a ß sie mit 500 C00 oder 600 000 Franken Ein­
breite Schultern. Man mußte schon sehr gut b e­      hörten bald entmutigt auf, als wenn sie das              künften werden anfangen können, w as nicht
obachten, um bei diesem kräftigen Sportsmann         Gefühl hätten, eine aufsehenerregende „Num­              schlecht ist. Lassen Sie uns die se Geschichte
einen schwachen Punkt zu entdecken. Die jun­         mer" zu stören. Der Tanz e n dete in einem               so schnell wie möglich unter Dach und Fach
ge n Fabrikarbeiterinnen, wenn sie ihn Vorbei­       überschwenglichen Lob. Man hatte die jungen              bringen. Sie werden die Bücher vorlegen
g e h e n sahen, sagten von ihm: „Seht, ein Boxer!   Leute verlobt, bevor sie zehn Sätze miteinan­            müssen, aber früher oder später . . ."
W e n n man ihm nur nicht seine schöne N a s e ver­  der gewechselt hatten. Jules Galimberteaux
dirbt! Und s e i n 3 Zähne!" Beirr. Lächeln zeig te  ergriff, wie er selbst sagte, „den springenden           Als Robert Herrn Galim berteaux in seinem
er, um sie zu beruhigen, ein blendendes Gebiß.       Ball" und nahm Herrn Latistien beiseite.                 W a g e n nach Hause fuhr, s a g te dieser zu ihm:
Sein Gesicht war von klassischer Ebenmäßig­                                                                   „Das ist also dein neues Auto? Verdreht.
keit mit schwarzen Augen auf bläulicher Aug-         „Welch ein Paar!" rief er fröhlich, denn er war          Drinnen erstickt man zu zweit, und aut dem
aptelhaut, „Augen einer Huri", bemerkten nei­        fettleibig und jovial und g e n o ß in der Welt          Verdeck würde man zwölf Personen unterbrin­
disch die Männer, Augen von orientalischem           den soliden Ruf eines Gesellschafters, während           gen . . . Es sieht dir ganz ähnlich . . . W a s
Schnitt, der in diesem angelsächsischen G e ­        er sich in seinem Beruf den eines ziemlich g e ­         treibst du eigentlich im Augenblick?"
sicht überraschte.                                   fräßigen Haifisches bewahrte. . . . „Ah! Ja,
Marcelme Frejos war 20 Jahre alt. Neben Robert       welch ein Paar! G äbe es eine Gesellschaft zur           „Ich w e rd e bei der Baronin Foyette eine
schien sie klein. Sie ähnelte ihm ein wenig, aber    Verbesserung der menschlichen Rasse, würde               Komödie in drei Akten spielen. Sie hat mich
das Blond ihrer Haare wurde durch fahlrote           man sich beeilen, diese beiden miteinander zu            mit der Leitung der Proben beauftragt."
Streiten getrübt, und ihr Blick war klüger und       verheiraten, da sie zweifellos eine außer­               „Also Komödiant bist du?"
härter. Auch sie war bezaubernd angezogen,           gewöhnliche Nachkommenschaft hervorbringen
und ihre Kleidung galt als vorbildlich.              würden. Aber eine solche Gesellschaft zur Ver­           „Nur Dilettant!" f
                                                     besserung der menschlichen Rasse ist völlig
Man hielt sie b eide für sehr anspruchsvoll, und     überflüssig. Wir w erden sie ersetzen. Ihr Mün­          „Das sind die schlimmsten!"
man bew underte sie mit einer etw a s galligen       del, mein lieber Latistien, ist ein kleines Meister­     „Die Frauenrolle ist noch nicht bese tzt . . ."
Zurückhaltung. Sie sprachen wenig. Robert Taver­     werk . . . Sagen Sie nicht: Sie sind nicht daran         „Denk' an die kleine Frejos!"
non hatte das Gefühl, daß seine Unterhaltung         beteiligt... Sehen Sie meinen Neffen: eine               „Gewiß!"
dem G lan z seines Äußeren nicht recht ent­          Statue. Beeilen wir uns, sie zusammenzutun.              „Hast du sie dir angesehen?"
sprach. Da er in allem Originalität liebte, wu ßte   Später w e rd e ich Ihnen g e n a u e A n ga ben über    „Als Partnerin?"
er, daß der erste beste bärbeißige und be­           Roberts Lage machen. Er hat ein kleines e i g e ­        „Als Frau, du Dummkopf!"
brillte, aber mit scharfem Verstand ausgestattete    nes Vermögen und hat auch noch seinen Anteil             „Warum nicht?"
Intellektuelle ihn aut diesem G eb iet schlagen      an unserer Firma. Kein großer Anteil, w ie Sie           „Du bist sehr verliebt in sie. Sie ist genau die
würde. Marcelme hatte viel studiert bis zu           als Geschäftsmann verstehen werden. Obgleich             Gattin, die du brauchst: willig, praktisch, in­
dem Augenblick, da sie, in die gr oß e Welt ein­     es sich um Kosmetikartikel handelt, hat er nie­          telligent. Sie wird mich bei dir ersetzen, fch
geführt, sich mit nichts anderem be faß te als       mals geruht, sich dafür zu interessieren. Höch­          brauche dir nicht zu sagen, d a ß du bis über
mit ihrer G ard erobe. Sie fühlte sich dem Milieu,   stens kommt er gelegentlich, um sich bei uns             beide Ohren in Schulden steckst . .
in dem sie lebte und in dem nur Geld die große       einzudecken und uns sein Urteil zu geben:
Rolle spielte, nicht gewachsen.                      ?Euer Chypre1 — wohl bemerkt! nicht .unser1,             „Und wenn es ihr Vormund erfährt?"
                                                     .euer1 — haftet nicht genug; und eure Seife
Beide waren W aisen und sehr reich. Robert           Theodora schäumt nicht ge n u g.1 Ein Amateur,           „Von dieser Seite brauchst du nichts z-u fürch­
hatte einen Anteil an der angesehenen Par­           nicht wahr! Niem als steckt er seine N a s e in          ten. Ich habe g e r a d e mit Latistien gesprochen.
fümeriefirma Tavernon & Galimberteaux g e ­          unsere Rechnungsbücher. Erstens weiß er, daß             Ich habe einfließen lassen, d a ß er im Falle
erbt, die seit dem Tode seines Vaters von            er uns vertrat en kann, und dann befaßt er sich          einer Heirat über seine Vormundschaft werde
dessen S'hwager, Jules Galimberteaux, geleitet       lieber mit Autos, Theater, Pferden und T e n n i s .. .  Rechnung o b le g e n müssen. Ich habe ihn bei der
wurde. Marcelines Vermögen wurde von ihrem                                                                    G elegenheit gut beobachtet; er wurde g r ü n . . .

                                                                                                              Machen wir uns auf einen gehörigen Verlust
                                                                                                              gefa ßt. Da auch du verlieren wirst, stellt sich
                                                                                                              das Gleichgew icht wieder her. Ich sehe schon

                                                                                                                                                       F o r t s e t z u n g a u f S e i t e 20
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