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gegangen w a r, e rklä rte e r: „M e in e S ekretärin."              legentlich bei ihrem G a tte n e in : „Ich frie re .                   „S prechen w ir nicht im Hause eines G e h än g te n
D a n n se tzte e r sich n e b en M a rc e lin e a u f das           W ü rd e s t du m ir ein Plätzchen e in rä u m e n ? " Sie             vom S tric k ... Der A lte !"
Sofa und e rg riff ihre H ände . . .                                 b lie b e n in e in e r keuschen U m arm ung. M a rc e ­
                                                                     line kam nicht d e r geringste Verdacht. Als er                        „U n d diese Schachtel! M a n h a t mich g e w a rn t.
                                       V.                            e in ig e G e ld s c h e in e zü ckte , um sich an d e n               U n d i c h . . . a lle s , w a s ich ta t, w a r fü r d ic h !"
                                                                     H aushaltskosten zu b e te ilig e n , e rk lä rte er dies
„Ich habe den Bäcker b e za h lt", sagte M arceline                  so: „Ich habe einen Kam eraden g e tro ffe n und                       „D u w arst w und e rb a r!"
zu Robert.                                                           habe ihm e in ig e Tips fü r seine V ersicherungen
                                                                     gegeben. W enn er durch meinen Rat Erfolg                              „In gew issem Sinne, ja ."
„W o hast du das G eld a u fg e trie b e n ? "                       hat, läßt er m ir etwas zukom m en."
                                                                                                                                            „Ic h habe dich nichts g e fra g t."
„Ich habe m eine Blaufüchse v e rk a u ft."                          Und sie g la u b te ihm. ü b rig e n s b lie b ih r g a r
                                                                     keine Z eit, ihn zu beobachten. H e rr G uissotte,                     „D u hast es h in g e n o m m e n ."
„D u hattest sie a lle noch?"                                        d e r ernstlich Feuer g e fa n g e n h a tte , b e le g te sie
                                                                     m it Beschlag. Sie g a b sich ohne S träuben. D ie                     „Ich hab e nichts h in g e n o m m e n ..."
„Ja . Das h e iß t d e r P elzhändler h a tte sie a u f­             G e w o h n h e it tru g d a zu bei. Bald h a tte sie das
b e w a h rt, um einen K ä u fe r zu fin d e n ... Ach,              G e fü h l, einen ä lte re n , a b e r h öflichen und zu v o r­        „D e r U nterschied ist, d a ß du a n g e fa n g e n hast,
ich v e rg a ß : ich h a b e H e rrn G u is s o tte g e tro ffe n .  kom m enden G a tten m it einem jungen G e lie b ten                   sie zu lie b e n , d ie s e X a n th ip p e . . . dessen b in ich
Er w a r g ro ß a rtig . Er h a t m ir v e rs p ro c h e n , sich    zu be trü g e n , den sie im m er v e re h rt hatte,                   g e w iß . . . In d e r A rt vo n H e rrn G a lim b e rte a u x ,
um uns zu küm m ern."                                                g e w iß , b e i dem sie sich je d o ch b e u n ru h ig t und          d e r seinen G eldschrank streichelt und d a b e i
                                                                     v o n va g e n G e w issensbissen g e q u ä lt fü h lte . Es           m u rm e lt: »Ein schönes M ö b e ls tü c k , nicht w a h r? «
In d ie se n Sachen w a r R o b e rt b e w a n d e rt. Er            g in g ihr g u t be i H e rrn G uissotte in die se r                   Ich h ä tte m it m eine n H ä n d e n d ie E rde a u f­
schloß d a h e r s o fo rt: Die Sache m it den B lau­                A tm o sp h ä re vo n w e ich e r Eleganz, aus d e r sie               g e w ü h lt, um d ir etw as zu essen zu b e s o rg e n . . .
füchsen ist eine Lüge. G uissotte ist o d e r w ird                  so b ru ta l herausgerissen w o rd e n w a r. Sie                      Ich b in n u r e in e Frau und h a b e nichts als
ihr G e lie b te r. Bei diesem G edanken frö ste lte                 legte G eld beiseite, sparte, e rb e tte lte G e ­                     m einen K ö r p e r . . . Ich h ab e ihn d ir z w e im a l
ihm p lö tz lic h ; eine tö d lich e K ä lte e rg riff ihn.          schenke: „M o rg e n hab e ich G e b u rtsta g . . .                   g e s c h e n k t... Das z w e ite m a l, als ich ihn fü r
Er w ic k e lte sich in seinem B ett ein. Er v e r ­                 25 J a h r e . . . Ich bin a lt, sehr a l t . . . " O d e r:           dich v e r k a u fte ... Du konn te st mich schlagen,
schanzte sich nach A r t vo n S o ld a te n , d ie , d e r           „Ich spänne d ir diese kleine Schachtel a u s ...                      mich tö te n , verlassen . . . "
im m e r neuen S tra fe n sa tt, b e sch lie ß e n : ich w e rd e    Du g e brauchst sie nicht, und ich kö n n te sie cjut
mich kran k m elden. D ie B e ttw ä rm e schien ihm                  verw enden, um m eine Bonbons hineinzutun."                            „Ich w e rd e dich verlassen . . . "
ein H ochgenuß . Er nahm z w e i S c h la fta b le tte n             A u f ihre Bitte w a r d ie S ekretärin entlassen                      „N e in !"
und schlief ein.                                                     w orden. Juliette benutzte zum letztenm al das                         „W a ru m nicht?"
                                                                     T ele fo n ihres H errn. Sie te ilte R obert genaue                    „D u w irs t diese Schwelle nicht überschreiten."
V on diesem A ugenblick an begann er, M arce lin e                    Einzelheiten m it: „S ind Sie es, H e rr T avernon?
zu be o ba ch te n . Sie nahm eine Köchin, dan n ein                 W e n n Sie Ihre Frau suchen> brauchen Sie nur zu                      „D as w erden w ir erst noch sehen. Du w illst
Z im m erm ädchen in Dienst. „W e n n du gesund                       Herrn G uissotte zu kom m en."                                        dich rech tfe rtige n , du, d ie G e lie b te von H errn
b ist, w e rd e ich d ir a lle s e rk lä re n . Ich h a b e m ir                                                                            G u is s o tte !... Findest du nicht, d a ß das reich­
m it ein p a a r V e rm ittlu n g e n etw as G e ld neben­                                                                                  lich kom isch ist? "
bei ve rdient."
                                                                                                                                            „Ich rate d ir, nicht d a rü b e r zu la c h e n /

R o b e rt h a tte nich t ü b e l Lust, ih r ins G e sich t zu                                                                              „A u f W iedersehen!"
schreien: „H a lte mich nicht fü r einen Id io te n !",
d o ch e r sch w ie g . W e n n ich w ie d e r a u fste h e ,        In d ie se r Z e it versch w a nd R ob ert fü r zehn                   „S ieh dich v o r!"
nahm e r sich v o r, w ir d sich a lle s fin d e n .                 T age unter dem V o rw a n d , er müsse in d e r Pro­
                                                                     vin z A utos ve rka u fe n . Diese Flucht h atte er                    „A d ie u ... M a rc e ..."
Eines M org e n s stand e r a u f. M a rc e lin e fa n d ihn         Frau Z in a id e lla versprochen. Diese genoß, von
nicht nur außer Bett, sondern s o rg fä ltig rasiert,                Leidenschaft e rfü llt, eine z w e ite Jugend. Da sie                  A n g e lo ckt von dem S treit, w a r d ie Köchin a u f
p a rfü m ie rt, gelockt, unbefangen und sehr sorg­                  d ie M ä n n e r im a llg e m e in e n und d ie A rt, zu d e r         Z ehenspitzen herbeigeschlichen. Sie e rz ä h lte
fä ltig angezogen.                                                   Robert gehörte, ganz besonders kannte, w a r                           sp ä ter, d aß sie in diesem A u g e n b lic k einen
                                                                     sie b e m ü h t, sich v o r a lle m m ü tte rlic h und d a n k ­       Revolverschuß vernahm .
„M e in Liebling — du bist gesund!"                                  bar, dem ütig und g e d u ld ig zu zeigen. Liebes-
                                                                     w o rte entschlüpften ih r erst nach Einbruch d e r                    „ W a s p assie rt ist? Ich w e iß ü b e rh a u p t nichts.
„Es geht m ir besser."                                               N a ch t, im Schatten d e r D äm m erung o d e r bei
                                                                     e n ts p re c h e n d e r B e le u ch tu n g. Sie w id m e te sich     Seit langem gingen d e r H e rr und die g n ädige
Sie suchte seine Lippen, doch b o t er ih r d ie                     ihm m it b e w u n d e ru n g sw ü rd ig e r, fa st sklavischer
W ange..                                                             U n te rw ü r fig k e it und b e d ie n te sich d a b e i e in ig e r  Frau ihre e ig e n en W e g e . Im B üro g la u b te m an,
                                                                     K rie g s lis te n : „Ic h h a b e fü r d ich e in ig e Sou in
„Es ist so schönes W e tte r; w o lle n w ir zusamm en               ein englisches S pekulationsgeschäft gesteckt.                         d a ß sie sich e in ig seien. A ls ich d ie T ür ö f f ­
in den Bois g e h en ? "                                             W e n n es k la p p t, kannst du sie m ir spä ter
                                                                     z u rü c k z a h le n ."< Sie ta t, als o b sie ihn noch fü r          nete, röchelte der H err, und M adam e versuchte,
„ G e w iß , g e r n . . . A b e r ich m uß e in ig e d r in ­       reich h ie lte , nur im A u g e n b lick etw as in G e ld ­
gende Besuche e rle d ig e n ..."                                    v e rle g e n h e it. „ M a n m uß sich g e g e n s e itig he fe n .   m it ihrem gestickten Taschentuch seine Brust zu
                                                                     M o rg e n w irst du das gleiche fü r mich tu n ."
„W o h in gehst du?"                                                 Das englische S pekulationsgeschäft und anderes                        ve rb in d e n . Sie w a r w ie eine V errückte. „M e in
                                                                     hatte stets E rfolg. „D u bringst m ir G lück, mein
„D a s w irs t d u s p ä te r e rfa h re n , w e n n ich E rfo lg    Freund . . . "                                                         a rm e r K le in e r!" rie f sie. „Ich hab e d ir w eh
g e h a b t habe. E rw a rte mich nicht zu Tisch."
                                                                     V o n s e in e r Reise z u rü c k g e k e h rt, b e ic h te te Ro­     getan, mein arm er, kle in e r G u te r!" Das G ericht
„D a s ist d e in erster A usgang, m ein H erz, und                  b e rt N oucha: „M a n hat m ir telefonisch m it­
ich w e rd e nicht d a b e i se in ? "                                g e te ilt, daß M arce lin e H errn G uissottes G e ­                 h at sie fre ig e sp ro che n . Je tzt ist sie H errn
                                                                      liebte ist."
 Er trö s te te sie m it einem leichten Schlag a u f d ie                                                                                   G uissottes Frau . . . M an m uß g erecht sein. Sie
Schulter und ging. V on d e r T e le fo n ze lle eines                „Ich habe es d ir nicht als erste sagen w o lle n ",
 W e in h ä n dlers aus rie f er Frau Z in a id e lla an.             e n tgegnete N o u ch a , „d o ch g anz Paris spricht                 versucht sich durch Z u rü ckh a ltun g in V ergessen­
 „Ih re Stim m e, Bob! Die Stim m e eines Verschol­                   d a vo n. Bedenke, es ist m ög lich, d a ß H e rr
 lenen! W elche Freude!"                                              G uissotte deine Frau ohne H intergedanken liebt.                     heit zu bringen . . . Doch, w e r die beiden, Herrn
                                                                      M arceline muß m it m ehr D iskretion vergehen.
 „ W o lle n Sie m it m ir zu M itta g essen?"                        S o ll ich d ir e in e n Rat g e b e n ? Eure Ehe b e ste h t         T avernon und seine Frau, m ite in a n d e r gekannt
                                                                      nur noch, um sozusagen d e r öffe ntlich e n Bosheit
 „U n d o b ich w ill! A b e r ko m m e n Sie h ie rh e r!            S toff zu geben. Verlasse M arceline. W ir w e r­                     hat, der muß tiefes Bedauern em pfinden . . . So
 Sind Sie a lle in ? "                                                den h e ira te n , und alle s ist in O rd n u n g . W e n n
                                                                      Paris /Uns la n g w e ilt, w e rd e n w ir w o a n d e rs le b e n .  ein schönes P a a r!"                 ♦
 „J a ."                                                              Du brauchst m ir je tzt w e d e r ja noch nein zu
 „A uch Frau T avernon w ä re m ir herzlich w ill­                    sagen, ü b e rle g e es d ir in a lle r R u h e ..."                  A u s dem Französischen übersetzt von E lisa b e th Certcke
 komm en gewesen."
                                                                      In G e d an ke n versunken kam R obert nach Hause.
 „Ic h w e iß es. A b e r ich b in a lle in ."                        D ort tra f er M arceline v o r W u t kochend.

 „K o m m e n Sie schnell."                                           „W o h e r kommst du?"

 N o u c h a tä u sch te sich nicht. Sie sch rieb in das              „D u siehst es."
 g eheim e N o tiz b u c h , dem sie ihre G e d an ke n
 und heim lichen Rechnungen anzuvertrauen                             „J e tz t a b e r Schluß m it den Lü g en !"
 p fle g te : R. T. V o ra n s c h la g : 20 000 F ranken
 m onatlich.

 V o n nun an sah sich d a s E h e p a a r n u r noch i n
 V o rb e ig e h e n . N a ch ts fa n d sich M a rc e lin e g e ­
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