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Es g ib t nicht viele D ö rf e r in N o r w e g e n , d ie d e n      — die ganze -pamiLie diricki                                     Es g i b t nicht nur ein e in z e l n e s S t a n d a r d m u s t e r a u f
Anspruch erheben können, berühmt zu sein. Die                                                                                          d e n S e lb u -F ä u stlin g e n o d e r -Strüm pfen. Es g ib t
meisten von ihnen sind sogar den Einwohnern ihres                 g e m a c h t — a n d e n lan g e n W i n t e ra b e n d e n und in  mehr Muster, als es Stricker gibt. Jede Familie hat
eigenen Landes unbekannt.                                         den kleinen Pausen zwischen dem Füttern,Waschen,                     ihre eigenen Muster, welche sie vererbt und auf
Selbu, in d e r N ä h e von Drontheim , ist eins d e r            Melken des Viehs und all den an d eren T ages­                       welche sie eine Art ungeschriebenes Patent hat.
w enigen Dörfer, d as sowohl im A uslande einen                   au fg ab en eines Bauernhofes. G an z Selbu strickt,                 Die Haltbarkeit, der andere große Vorteil der
berühmten Nam en hat als auch jedem norwegi­                      jung und alt, M änner und Frauen, Jungen und                         Selbu-Strickereien, entsteht dadurch, daß zwei Fä­
schen Schuljungen g e lä u fig ist. Ehrlich g e s a g t, ist      Mädchen, obwohl natürlich das weibliche G e ­                        den verwendet werden. Dadurch werden auch die
es nicht d a s Dorf selbst, d a s einen solchen Ruf e r ­         schlecht am stärksten unter den Strickern vertreten                  Maschen dichter als bei einer einfachen Strickerei.
langt hat, sondern eher die Fausthandschuhe, die                  ist. V or d e m Kriege, als es in Selbu w ie in vielen               Ein P a a r S e lb u -F ä u stlin g e o d e r S trü m p fe k ö n n e n
hier gestrickt w erden: die Selbu-Fäustlinge. Viele               anderen norwegischen Bezirken eine große Arbeits­                    so naß werden, d a ß das W asser von ihnen tropft,
andere norwegische Dörfer machten inzwischen die                  losigkeit gab, w ar für viele Menschen, darunter                     innen sind sie völlig trocken.
Entdeckung, was für ein gutes Geschäft diese                      auch junge Männer, das Stricken die Hauptbeschäf­                    Von einem bescheidenen Anfang irgendw ann im
Strickerei ist, und a h m te n d ie M uster d e r Selbu-          tigung. Aber jetzt, bei dem Mangel an Arbeits­                       v o rig en J a h rh u n d e r t h a t sich d a s Stricken in Selbu
Fäustlinge nach. Sie übernehm en überhaupt diese                  kräften im g an zen Lande, können die M änner auf                    zu einem G ew erbe entwickelt, das praktisch fast
Art des Strickens, jedoch auch heute noch liefert                 anderen G ebieten mehr leisten und verdienen, und                    jed e Familie in diesem Dorf beschäftigt. Vor d em
Selbu mehr als die Flälfte aller Selbu-Strickereien,              d a s Männer-Stricken ist heute nicht m ehr so üblich.               Kriege w u rd e n jährlich 6— 7 Tonnen W o lle b e ­
die in N o rw e g e n gefertig t w erden.                         Aber die meisten von ihnen haben noch nicht v e r­                   nötigt, um d ie Stricknadeln in G a n g zu halten.
Das Dorf ist e tw as a b g e le g e n , die nächste Eisen­        gessen, wie man mit Stricknadeln um gehen muß,                       Jedes Jahr fertigten die Einwohner dieses Ortes
bahnstation liegt etw a 20 Meilen entfernt. G roße                und sie versuchen, ihre Fertigkeit zu erhalten, denn                 100 000— 120 000 Paar Fäustlinge und Strümpfe an.
W ä ld e r gibt es in Selbu, und sie sind auch eine               d iese Arbeit ist k einesw egs ehrenrührig.                          M an schätzt, d a ß in d e n Ja h ren vor dem Kriege
wichtige Einkommensquelle des Ortes. Selbu hat                    Das Stricken h a t eine alte Tradition in Selbu, a b e r             3000 von den 5000 Einwohnern an dieser Heim­
eine große Gem einde, und seine 5000 Einwohner                    d i e S trick n a d eln w u r d e n nicht h ier e rfu n d e n . In   industrie teilnahmen.
sind über ein weites G ebiet verstreut. Kleine Höfe               anderen norwegischen Bezirken strickte man auch                      Vor dem Kriege w urden 75 Prozent d er Selbu-
liegen auf beiden Seiten des Flusses, d er zum                    seit langen Jah ren , doch Selbu ist am b erü h m ­                  Erzeugnisse ausgeführt — nach Amerika, Kanada,
Selbu-See führt. Nach altem Brauch sind die Häu­                  testen. Der Grund dafür liegt darin, d a ß Selbu es                  der Schweiz und anderen Ländern. Besonders die
ser a u f d e n H öfen in einem Viereck a n g e o r d n e t,      fertiggebracht hat, die alte, künstlerische Form der                 Fäustlinge wurden so populär, d aß sie zuletzt
mit einem freien Raum d azw ischen. Dies ist m ehr                H a n d arb e it in unserer Zeit d e r Standardisierung              s o g a r in die norw egische R e isev e rk eh rsp ro p ag a n d a
als alter Brauch — es hat auch einen sehr prak­                   und der Nützlichkeitserzeugnisse zu bewahren. Die                    im A uslande Eingang fa nden! Heute hat M angel
tischen Grund. W en n im W inter die Schneestürme                 Bevölkerung von Selbu hat Interesse an ihrer                         an W olle die Erzeugung stark absinken lassen. So­
toben und der W ind den Schnee zu hohen Haufen                    Strickerei, und das ausgeprägte Gefühl für die                       wohl N orw egen wie auch das Ausland rufen zwar
zusammentreibt, geschieht es oft, d a ß die niedrigen             Schönheit von Mustern und Ornam enten wird von                       nach Selbu-Fausthandschuhen und anderen Selbu-
Häuser fast unter dem Schnee begraben werden.                     einer Generation auf die andere vererbt.                             Strickereierzeugnissen, aber die Nachfrage kann
Darum wird d a s a lte Bausystem in Selbu noch                    Die Strickwaren von Selbu — die Fäustlinge, die                      noch nicht befriedigt werden. W enn jedoch der
immer benutzt. Die Häuser erhalten auf diese Art                  Strümpfe, die Schals, die Mützen und die Pullover                    Tag kommt, an dem der Mangel an Wolle über­
m ehr Schutz, indem sie sich g egenseitig g e g e n den           — haben drei große Vorzüge: sie sind haltbar,                        w u n d e n ist, d a n n wird Selbu sein Ä ußerstes tun,
W ind und die Schneemassen schützen.                              sie w ärm en im kalten W inter und sie sind schön                    um diese Lücke zu schließen. Die Selbuer bereiten
Dort, in d iesen niedrigen, be sc heidene n, u n g e ­            und haben einen geradezu künstlerischen Schwung.                     sich d a r a u f vor, willens, ihren Ruhm als die Ritter
strichenen Holzhäusern, werden die Selbu-Fäustlinge                                                                                    d e r Stricknadeln in Skandinavien zu verteidigen.
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