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SKIZZE VON DOMINIQUE AUCEEKES
Nicht zu verheiraten! sagte Ich h a t t e M ü h e , m e in e T r ä n e n z u r ü c k z u h a lte n . V on Z eit zu Zeit ließ ein
Papa. Schritt im G a n g meine drei M entoren aufhorchen.
Es w a r nicht d a s e r s t e m a l , d a ß — Lionel v erspätet sich, flüsterte Mme. d e Parm engo.
ich d ie s h ö rte , d o c h d e r A n
laß w ar offenbar ein schwer — Er a r b e i t e t so sehr, s a g t e m e in e M u tte r freundlich.
wiegender. In d i e s e m A u g e n b lic k v e r z o g M m e. d e P a r m e n g o d a s G esicht. Ich f o l g t e
— Du hast dich kompromittiert. ihrem Blick und b e m e r k t e im P a r t e r r e d a s G e sic h t d e s b e s a g t e n Lionel, d e r
— N e in , P a p a , ich h a b e mich sich verliebt üb er d a s g ro ß z ü g ig e D ekollete einer ä u ß erst geschminkten Frau
nicht kompromittiert. b e u g te . Als g u t e r z o g e n e s M ä d c h e n w a r t e t e ich d ie P au se a b . D an n w a n d t e
— Versprich mir, diese G e ich mich mit e in e m Lächeln, d a s alle s a u s d rü c k te , w a s ich g e r a d e vo m Leben
schichte geheimzuhalten, wenn gelernt hatte, an Mme. Parmengo:
du einen M ann finden willst. — Lionel h a t sich nicht v e r s p ä t e t . Er ist sicher viel zu musikalisch, um d e n
„ P a r s if a l" zu v e r s ä u m e n . Ich h a b e ihn g e r a d e erblickt. Es ist w u n d e r b a r ,
— D ann m uß ich a ls o m einen W ag n er so zu lieben, wie er.
Eine se n k rec h te Falte teilte P a p a s Stirn. Ich w a r 22 J a h r e a lt g e w o r d e n und
Mann schon vor der Ehe be w a r nicht v erheiratet. W ir w a re n in W ien. Das Leben w a r leicht, m an tan zte
trügen?
— Schweig! W a lz e r, und m an a ß vom Besten. Am S onntag brachte uns ein W a g e n in den
W ir befanden uns auf der P ra ter. Ich gin g v o n e in e m T ee zum a n d e r e n , v o n e in e m Ball zum a n d e r e n .
kleinen Steinterrasse d e r Villa Ich t a n z t e eifrig, und n i e m a n d b a t um m e in e H a n d .
Pera, von wo man das Gol
dene Horn und die Minarette — Heute ab en d , sag te meine M utter zu mir, improvisiert unsere alte Be
der Hagia Sophia erblicken kannte, die Gräfin Landany, dir zu Ehren ein Fest. Die Sackfeld, die O rendi,
kann. Mein Gott! ging es die Amensburg und die Lilienthals w erden dort sein. Erinnerst du dich an Boby
Lilienthal, es scheint, d a ß ihn deine Art, Verse a u fzusagen, entzückt hat.
mir du rch d e n Sinn, als ich Als sie sah, d a ß ich ein u n z u frie d e n e s G esicht m ach te, w a n d t e sich M a m a a n
träumerisch diese orientalische
Landschaft betrachtete, trotz P a p a und s a g t e : Er ist ein r e ic h e r Erbe. Z u d e m k a m d e r D ie n e r und e r k lä r te ,
dem wird mich ein Mann so d a ß serviert sei, und man sprach von anderem .
ne h m e n m üssen, w ie ich bin.
D a s Fest w a r in v o lle m G a n g e , a ls w ir bei T h e r e s e L a d a n y a n k a m e n . Ich
Z e i c h n u n g e n Mia L e d e r e r Und ich besc h lo ß , d e n Versuch trug ein Kleid aus sc hw arzem Samt. Im Hinblick a u f „m ein A lter" w a r Rosa
zu wagen, meinem zukünftigen v e rb an n t w orden. Einige Sandw iches langw eilten sich in einer Ecke d es Salons
G atten alles zu gestehen. zu Tode; ehrwürdige Damen versuchten, zu harte Kuchen zu knabbern; ein
Einige T a g e s p ä t e r b e f a n d ich mich mit R obert A rd o u in a u f d e r gleichen schlechter Klavierspieler stürzte sich auf ein schlecht gestimmtesKlavier; die
Terrasse. Die Sonne versank in d e m schw a rzbla uen, funkelnden W asser. zu spät g ew arn te Jugend konnte nicht anders, als dem Appellfolgen. Lilienthal
Ich fü h lte und begriff, d a ß sich e tw a s N e u e s a n b a h n t e ; und b e v o r R o b e rt Zeit in g estreifte n H osen und sc h w a rzem Ü berrock hielt sich in ein e r Ecke d e s
h a tte , sich zue rk lä re n ,s a g te ich ihm mitn e rv ö s e r Ü b e reilu n g : Salons auf. Die Musik hörte auf. Gräfin Ladany entführte ihre G ä ste mit
—- Ich will, d a ß Sie a lle s w issen, m ein Herr. V o r a c h t T a g e n h a b e ich mich s o n d e r b a r e r G eschicklic hkeit in ihr Boudoir. Ich w a r mit B o b y allefn. Er h a t t e
einen Stiernacken und gerötete Augenlider.
im Flugzeug entführen lassen. — Der Som m er ist vorbei, sa g te er mit tiefsinniger Miene.
Ich b e o b a c h t e t e se in G esicht. Ich sa h , d a ß e r d i e A u g e n b r a u e n ru n z e lte , und — Und d e r H e rb st ist g e k o m m e n , s a g t e ich treffend.
Er b e t r a c h t e t e mich l a n g e u nd e r w i d e r t e :
sein welliger blonder Schnurrbart zitterte. — Die Jah reszeit kündigt sich herrlich an.
— W a ru m h a b e n Sie d a s g e ta n ? fra g te er mich. Ich f ü g t e mich.
ich ü b e r le g te e in e n A u genblic k und a n tw o r te te d a n n sogleich w a h r h e i t s g e m ä ß
— G edenken Sie, Ihre Studien trotz aller dieser Ablenkungen fortzusetzen?
und vergnügt: begann er wieder.
— W eil ich v o r d e r Ehe a lle s w issen und a u s p r o b i e r e n will.
Robert ließ meine Hand los, die er einige Minuten vorher z art ergriffen hatte. Ich fing a n zu lachen.
— Und weiter? grollte er fast heftig.
— D as ist alles, s a g t e ich sanft. — Ich h a b e mich bei e in e m Friseur a n g e m e l d e t , um d ie M ä n n e r r a s ie r e n
Zwei M onate später verließen wir Konstantinopel und gingen nach Sofia; zu lernen.
meine Eltern w underten sich, w arum wohl eine so gut arran g ierte Heirat nicht
— Und Ihr Vater, w as sa g t er d a z u ?
zustande gekommen war. — Er h a t e s mir v e r b o te n .
In Sofia g a b es B u l g a re n ; sie w a r e n a ll e d u n k e l, und sie w a r e n g a la n t . Einer Ich b e o b a c h t e t e sein G esicht, d a s sich nicht v e r z o g . Ich fühlte , w ä h r e n d e r
hieß Gratinoloff und hatte einen langen Bart. W enn er mit mir tanzte, trat
er mir auf die Füße; aus der Tasche seines Smokings hing ein zu stark mich w eiter f r a g t e , d a ß e r alles, w a s ich ihm s a g te , ernst n a h m :
parfümiertes Taschentuch; wenn er aufgeregt war, zitterte seine Stimme, und — Und was wollen Sie dann tun?
sein schwarzer Bart streichelte seinen Bauch. Ich w e iß , d a ß d e r Teufel mich trie b :
— Gratinoloff liebt dich, sagte mein Vater eines Morgens. — Ich w e r d e b a u c h r e d e n lernen.
— Aber, Papa, er hat einen Bart.
— Du wirst ihn bitten, ihn abzu n e h m en . — Mein G ott! Seine Stimme erinnerte mich plötzlich an die Roberts an dem
— Jeden Abend? A b e n d , als ich ihm mein G e s tä n d n is a b le g t e .
— Tu nicht so dum m , s a g t e P a p a . Du f ä n g s t an, ä lt e r zu w e rd e n . — Mein Gott! Aber warum denn, mein Fräulein?
Ich w a r z w a n z i g J a h r e a lt und trug ein r o s a f a r b e n e s Kleid. Ich blickte in d e n
Spiegel und begriff nicht. D a r a u f ru n z e lte ich d ie A u g e n b r a u e n , s e t z t e e in e e rn s te M ie n e a u f und s a g t e :
M eine zw eite m ißglückte H eirat h a tte m eine Eltern nicht in g u te Laune ver
setzt. W ir verließen Sofia und begaben uns für einige Zeit nach Frankreich. — Um m einen M ann in
der Nacht zu ängstigen.
W ir sahen Lilienthal nie
M am a zog ihre Freundinnen zu Rate. Die ernsthaften Freier wurden stark m als w ie d e r. Ich w a r 23
gesiebt, und drei W o ch en lang sprach man mir mit Überschwang und Zärtlich Jahre alt gew orden. Die
keit von einem gewissen Lionel, einem ehrenw erten Jungen mit einer g län z en Partien, die auftauchten,
d en Zukunft und einer u ntadeligen V e rg an g en h eit, einem Ju ngen, d e r sich lösten sich a ls b a ld in
angeblich in mein G o ld en es Vlies und meine treuherzigen A ugen verliebt hatte. nichts a uf. Ein offensicht
— Nun zu, sag te eines M orgens die alte Albine zu mir, eine gute Polin, die liches Pech haftete mir
wir auf einer unserer Reisen vor zwanzig Jahren aufgelesen hatten; mach an . Es s t a n d fest, ich w a r
schnell. Du m ußt h e u te a b e n d schön sein; dein V ater will mit dir in d ie O p e r
nicht zu verheiraten!
— Dies alles erfolgt
nicht zufällig, erklärte
gehen. mir m ein V gte r, a ls ich
Ich w a r nicht musikalisch. M e i n e Eltern w a r e n s e h r w e n i g musikalisch. Ich mich von ihm v e ra b
m e rk te d a h e r , d a ß sie irg en d e tw a s v o r h a tte n , und ich w a r m e in e r Sa che
so sicher w ie noch nie, als ich erfuhr, d a ß es sich d a ru m h a n d e lte , d e n schiedete, um eine Aus
stellung m oderner Kunst
„Parsifal" zu hören. zu besuchen. Du hast
Eine Loge, ein G e f ä n g n i s . In d i e s e m G e f ä n g n i s d re i W ä c h t e r : m ein V a te r, einen schlechten Cha
m eine M utter, „ sein e" M utter. Ich h a tte mein b la ß b la u e s A b e n d k leid a n
gezogen. Die Musik machte Lärm wie ein Höllenzug; meine O hren klangen rakter. Die Leute be
zu den Tönen der tausend entfesselten Instrumente. Mme. de Parmengo
^c h e lte und w andte kein Auge von mir; M am a zeigte alle ihre Brillanten ginnen es zu merken,
und niem and m ag dich.
— Das w äre ja noch
sc höne r, e n t g e g n e t e ich.
und. Papa tat, als ob er der Musik lausche. Jeder von uns haßte W agner. S c h l u ß a u f S e i t e 16
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