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A N N EDORE LEBER
Begegnung mit drei Frauen
aus der K om m ission für Menschenrechte bei der U N
V on 7 a g zu J a g häuft sidb im O sten die Z ahl der J älle wo Jrtensdben plötzlich versdbwinden. N iem an d erfährt,
weldhes geheim e Qeridht ihnen dieses Sdhidksal bestim m t hat. Ebensowenig w eiß man, ob diese Xlnglüdklidhen
sdhließlidh nahe oder fern ihrer T ieim at untergebradht sind. N u r durdh heimliche Botschaften oder durch !Men-
schen, deren plötzliches Auftauchen aus der D unkelheit ebensowenig wie ihr Verschwinden berechnet wird, kann
man sich ein gew isses Bild von dem Zlm fang der K onzentrationslager machen, in denen M illionen menschliche
£eben langsam zugrunde gehen.
M ir selbst liegen Jausende von M eldungen verschwundener Personen vor. Aus zahllosen Briefen und besprächen
kenne ich die V erzw eiflu n g der Angehörigen, die schm erzlichen Ä n g ste von V ätern und M ü ttern und Jrauen, aber
auch von M ännern um ihre Jrauen. „W ann w ird endlich die freie und rechtliche W elt gegen solche M eth oden w irk
sam", heißt die mir im m er w ieder gestellte Jrage. W ir sind der M einung, da ß diese Jrage der ganzen in Recht-
Sicherheit lebenden Qesellschaft gilt.
Kann sie etwas d a ge g en tun? Organisationen, die bei der UN beratende
Im Ja n u a r 1947 h a b e n die V ereinten N a tio n e n Stimmen haben. Denn d e r Kreis d er bei d e r UN
eine Kommission für Menschenrechte bei dem
Sozial- und Wirtschaftsrat gebildet. Diese Kom m ita rb e ite n d e n G r u p p e n ist w e ite r g e s p a n n t als
mission setzt sich aus Vertretern von 18 Staaten
zusam m en. Sie soll sich mit allen Problem en im bei dem Völkerbund, wo nur Regierungsvertreter
Interesse der Menschenrechte befassen. Derartige
A ngelegenheiten w e rd en da n n sp ä te r in d e r Voll z u g elas se n w a re n . Im J a h re 1947 w u rd e in
ve rsam m lung d e r UN v e rh an d e lt. Ist m an in d iesen
Gremien über das Ausmaß des Unglücks informiert Philadelphia Jeanne Eder-Schwyzer zur Vorsitzen M rs. Anna Eleanor Roosevelt A u fn a h m e : AP
und können die Delegierten ermessen, wie schwer den des Frauenrates gewählt.
und bitter das Schicksal des einzelnen ist, g e r a d e
des einfachen unbekannten Menschen, den diese Auch Frau Dr. Eder-Schw yzer t r a g e ich unsere
Tragödie getroffen hat?
Sorgen und Probleme vor. Berät sie doch bei der
*
Kommission für M enschenrechte mit. So w a r sie
Bei e in e r Reise nach Frankreich s te h e ich in d e m
Pariser Hotel „Crillon", an der Place de la Concorde, bei dieser Tätigkeit an der Abfassung jenes Memo
Mrs. Roosevelt gegenüber. Die Begegnung findet
an einem Novem bernachm ittag statt. Tags zuvor randums beteiligt, das dem Präsidenten der Voll
h a tt e ich e in e V o llv ers am m lu n g d e r U N mit e in e r
scharfen D ebatte um die Atom energie miterlebt. versam m lung, Evatt, im Interesse d e r nach 1945 aus
N o c h s te h e ich u n te r d e m Eindruck e in e s A u fp ra lls
z w eie r W e lte n , d e m in g r ö ß e re n D im ensionen v e r Griechenland verschleppten 40 000 Kinder über
schobenen Spiegelbild unserer Auseinandersetzun
g en im Berliner S tad tp a rlam en t, so la n g e es im O s t geben worden war, eine Aktion, die von der
sektor tagte.
Mrs. Roosevelt führt d e n Vorsitz in d e r Kom Balkankommission bestätigt werden mußte. Aller
mission für d ie M en sch en rech te. Z w eifellos ist sie
eine der bekanntesten Frauen der W elt, weil sie dings habe sie die betrübliche Erfahrung gemacht,
sich in ihrer g a n z e n Tätigkeit, o b in internationalen
Organisationen oder durch Presse- und Rundfunk daß durch die weltpolitischen Auseinandersetzun
veröffentlichungen, zur Verteidigerin des Humani
tätsgedankens machte. Durch diese konsequent g e n die UN in vielen Fällen hilf- und machtlos sei.
eingenommene Haltung genießt ihre Meinung all
g em ein Respekt. Sie e rla u b t ihr auch Kritik, w o Alles w äre auf eine internationale Zusamm enarbeit
immer sie eine solche für nötig befindet. Jedes
W ort der weißhaarigen und doch so lebendigen aufgebaut, infolgedessen stünde man heute dem
Frau verrät die Erfahrungen eines Lebens, dessen
Arbeit immer dem Unglücklichen entgegengekom Veto der Volksdemokratien nicht wirklich g e w ap p
m en ist. Interessiert und b e w e g t fo lg t sie d e r
Schilderung unserer Sorgen um unsere Kriegs net gegenüber. „Trotzdem", meint sie, „darf man
gefangenen, um die Zivilinternierten und alle ver
schleppten Personen. Ihre Fragen sind ebenso d a s Positive nicht übersehen. Immerhin sind sich
freimütig und direkt wie ihre Antworten.
„Unsere Arbeit wird nicht von heute auf mor 48 S ta a te n in d e r Achtung d e r menschlichen Frei
gen wirksam sein", erklärt Mrs. Roosevelt. „Und
im Speziellen stehen wir, w enn wir mit d en Sow jet heitsrechte einig."
vertretern über Fälle der Deutschen verhandeln
wollen, vor dem Argument, man glaube den *
deutschen Faschisten mehr als der Sowjetregierung.
N ehm en Sie dieses Argument", meint sie, „in Als dritte Frau aus dem Kreise der an der Kom
sofern ernst, als Sie sich niemals zu chauvinisti
schen Tönen verleiten lassen, so berechtigt auch mission der Menschenrechte beteiligten Persönlich
Ihre A useinandersetzung mit einem System sein
m ag, dem Sie sich nicht unterw erfen wollen." Die ke ite n b e g e g n e ich A a s e Lionaes. Sie ist e in e d e r
Abschiedsworte klingen tröstlich und warm.
«W en d en Sie sich an mich, sobald Sie und Ihre fünf Regierungsvertreter N orw egens bei der UN,
Freunde d e r Ansicht sind, d a ß ich Ihnen bei d e r
Bewältigung dieses Problems behilflich sein kann. a ls o stim m be rec htigtes Mitglied. In d e r H e im a t ist
D enn ich w e r d e a u c h nicht v e r s ä u m e n , z u r Stelle
Zu sein, w e n n es be i d i e s e r F r a g e um d e u ts c h e sie die leitende Frau der dortigen A rbeiterbew e
Angelegenheiten geht.
g u n g . Es strö m t e in e k l a re B estim m th eit v o n d i e s e r
*
schmalen und zarten hellblonden Frau aus. Von
Von Paris f a h r e ich für drei T a g e in d ie Schweiz.
In Zürich treffe ich mit Frau Dr. Eder-Schwyzer, Beruf ist sie Volkswirtschaftlerin. Sie h a t ein so z ia l
der Vorsitzenden des Internationalen Frauen
rates, zusam m en. Dieser F rauenrat ist eine d er politisches Lehrbuch verfaß t, d a s in N o rw e g e n Jrau Dr. Eder-Schwyzer Aufnahm e: Blackstone Studios
w eite Verbreitung gefunden hat. Infolgedessen gilt
ihre Hauptarbeit dem Sozial- und Wirtschaftsrat.
Aufmerksam folgt sie jeder meiner A ngaben. Sie
w a r bereits e inige M ale in Berlin und w eiß, w ie in
diese Stadt die ganze Klage des Ostens Europas
getragen wird. Nach der Rückkehr von ihrer letzten
Reise aus Paris und Berlin e rk lä rte sie in O s l o ,
d a ß Berlin d e r A ußenposten d e r Dem okratie
g e g e n d e n Kom m unismus ist. Ihre A u ffa ssu n g ist.
daß man diesen grausamen Methoden wirtschaft
lich b e g e g n e n muß. Und sie sag t, d a ß es g e r a d e
in d ie s e r F rage die A u fg a b e d e r kleinen Völker
wie auch sonst aller materiell Schwachen und
M achtlosen ist, d a s G ew issen d e r g r o ß e n und s ta r
ken Mächte zu sein. *
W enn der Leser der Meinung sein sollte, d a ß bei Jrau Aase Lionaes Aufnahme: Billedavd,
der W eltlage trotz des ehrlichen Bestrebens der
Beteiligten die Kommission für Menschenrechte b e
d e u tu n g slo s ist, so muß a n d e n Abschluß d e r Pariser
Tagungsperiode erinnert werden. Die Arbeit der
Kommission w ar die Grundlage für die A b
stimmung in d e r V ollversam m lung d e r UN, w o
48 Staaten gegen 8 Stimmenthaltungen die Freiheits
rechte aller Menschen proklamierten. Durch diesen
Beschluß verpflichtete sich die g a n z e h u m an e W elt
e rn e u t, für ihre Prinzipien e in z u steh e n . In unserem
deutschen Interesse fand der Beschluß bereits sei
ne n W i d e r h a l l , nämlich in d e r a m 1. 1. a n die
Sowjetregierung gerichteten Protestnote der W est
alliierten w egen der deutschen Kriegsgefangenen.