Page 3 - mosaik01_02_49
P. 3

A N N EDORE LEBER

Begegnung mit drei Frauen

                        aus der K om m ission für Menschenrechte bei der U N

V on 7 a g zu J a g häuft sidb im O sten die Z ahl der J älle wo Jrtensdben plötzlich versdbwinden. N iem an d erfährt,
weldhes geheim e Qeridht ihnen dieses Sdhidksal bestim m t hat. Ebensowenig w eiß man, ob diese Xlnglüdklidhen
sdhließlidh nahe oder fern ihrer T ieim at untergebradht sind. N u r durdh heimliche Botschaften oder durch !Men-
schen, deren plötzliches Auftauchen aus der D unkelheit ebensowenig wie ihr Verschwinden berechnet wird, kann
man sich ein gew isses Bild von dem Zlm fang der K onzentrationslager machen, in denen M illionen menschliche

£eben langsam zugrunde gehen.
M ir selbst liegen Jausende von M eldungen verschwundener Personen vor. Aus zahllosen Briefen und besprächen
kenne ich die V erzw eiflu n g der Angehörigen, die schm erzlichen Ä n g ste von V ätern und M ü ttern und Jrauen, aber
auch von M ännern um ihre Jrauen. „W ann w ird endlich die freie und rechtliche W elt gegen solche M eth oden w irk­
sam", heißt die mir im m er w ieder gestellte Jrage. W ir sind der M einung, da ß diese Jrage der ganzen in Recht-

Sicherheit lebenden Qesellschaft gilt.

Kann sie etwas d a ge g en tun?                                      Organisationen, die bei der UN beratende

Im Ja n u a r 1947 h a b e n die V ereinten N a tio n e n            Stimmen haben. Denn d e r Kreis d er bei d e r UN
eine Kommission für Menschenrechte bei dem
Sozial- und Wirtschaftsrat gebildet. Diese Kom­                      m ita rb e ite n d e n G r u p p e n ist w e ite r g e s p a n n t als
mission setzt sich aus Vertretern von 18 Staaten
zusam m en. Sie soll sich mit allen Problem en im                    bei dem Völkerbund, wo nur Regierungsvertreter
Interesse der Menschenrechte befassen. Derartige
A ngelegenheiten w e rd en da n n sp ä te r in d e r Voll­           z u g elas se n w a re n . Im J a h re 1947 w u rd e in
ve rsam m lung d e r UN v e rh an d e lt. Ist m an in d iesen
Gremien über das Ausmaß des Unglücks informiert                      Philadelphia Jeanne Eder-Schwyzer zur Vorsitzen­                          M rs. Anna Eleanor Roosevelt  A u fn a h m e : AP
und können die Delegierten ermessen, wie schwer                      den des Frauenrates gewählt.
und bitter das Schicksal des einzelnen ist, g e r a d e
des einfachen unbekannten Menschen, den diese                        Auch Frau Dr. Eder-Schw yzer t r a g e ich unsere
Tragödie getroffen hat?
                                                                     Sorgen und Probleme vor. Berät sie doch bei der
                                                             *
                                                                     Kommission für M enschenrechte mit. So w a r sie
Bei e in e r Reise nach Frankreich s te h e ich in d e m
Pariser Hotel „Crillon", an der Place de la Concorde,                bei dieser Tätigkeit an der Abfassung jenes Memo­
Mrs. Roosevelt gegenüber. Die Begegnung findet
an einem Novem bernachm ittag statt. Tags zuvor                      randums beteiligt, das dem Präsidenten der Voll­
h a tt e ich e in e V o llv ers am m lu n g d e r U N mit e in e r
scharfen D ebatte um die Atom energie miterlebt.                     versam m lung, Evatt, im Interesse d e r nach 1945 aus
N o c h s te h e ich u n te r d e m Eindruck e in e s A u fp ra lls
z w eie r W e lte n , d e m in g r ö ß e re n D im ensionen v e r­   Griechenland verschleppten 40 000 Kinder über­
schobenen Spiegelbild unserer Auseinandersetzun­
g en im Berliner S tad tp a rlam en t, so la n g e es im O s t­      geben worden war, eine Aktion, die von der
sektor tagte.
Mrs. Roosevelt führt d e n Vorsitz in d e r Kom­                     Balkankommission bestätigt werden mußte. Aller­
mission für d ie M en sch en rech te. Z w eifellos ist sie
eine der bekanntesten Frauen der W elt, weil sie                     dings habe sie die betrübliche Erfahrung gemacht,
sich in ihrer g a n z e n Tätigkeit, o b in internationalen
Organisationen oder durch Presse- und Rundfunk­                      daß durch die weltpolitischen Auseinandersetzun­
veröffentlichungen, zur Verteidigerin des Humani­
tätsgedankens machte. Durch diese konsequent                         g e n die UN in vielen Fällen hilf- und machtlos sei.
eingenommene Haltung genießt ihre Meinung all­
g em ein Respekt. Sie e rla u b t ihr auch Kritik, w o               Alles w äre auf eine internationale Zusamm enarbeit
immer sie eine solche für nötig befindet. Jedes
W ort der weißhaarigen und doch so lebendigen                        aufgebaut, infolgedessen stünde man heute dem
Frau verrät die Erfahrungen eines Lebens, dessen
Arbeit immer dem Unglücklichen entgegengekom ­                       Veto der Volksdemokratien nicht wirklich g e w ap p ­
m en ist. Interessiert und b e w e g t fo lg t sie d e r
Schilderung unserer Sorgen um unsere Kriegs­                         net gegenüber. „Trotzdem", meint sie, „darf man
gefangenen, um die Zivilinternierten und alle ver­
schleppten Personen. Ihre Fragen sind ebenso                         d a s Positive nicht übersehen. Immerhin sind sich
freimütig und direkt wie ihre Antworten.
„Unsere Arbeit wird nicht von heute auf mor­                         48 S ta a te n in d e r Achtung d e r menschlichen Frei­
gen wirksam sein", erklärt Mrs. Roosevelt. „Und
im Speziellen stehen wir, w enn wir mit d en Sow jet­                heitsrechte einig."
vertretern über Fälle der Deutschen verhandeln
wollen, vor dem Argument, man glaube den                                                  *
deutschen Faschisten mehr als der Sowjetregierung.
N ehm en Sie dieses Argument", meint sie, „in­                       Als dritte Frau aus dem Kreise der an der Kom­
sofern ernst, als Sie sich niemals zu chauvinisti­
schen Tönen verleiten lassen, so berechtigt auch                     mission der Menschenrechte beteiligten Persönlich­
Ihre A useinandersetzung mit einem System sein
m ag, dem Sie sich nicht unterw erfen wollen." Die                   ke ite n b e g e g n e ich A a s e Lionaes. Sie ist e in e d e r
Abschiedsworte klingen tröstlich und warm.
«W en d en Sie sich an mich, sobald Sie und Ihre                     fünf Regierungsvertreter N orw egens bei der UN,
Freunde d e r Ansicht sind, d a ß ich Ihnen bei d e r
Bewältigung dieses Problems behilflich sein kann.                    a ls o stim m be rec htigtes Mitglied. In d e r H e im a t ist
D enn ich w e r d e a u c h nicht v e r s ä u m e n , z u r Stelle
Zu sein, w e n n es be i d i e s e r F r a g e um d e u ts c h e     sie die leitende Frau der dortigen A rbeiterbew e­
Angelegenheiten geht.
                                                                     g u n g . Es strö m t e in e k l a re B estim m th eit v o n d i e s e r
                                                             *
                                                                     schmalen und zarten hellblonden Frau aus. Von
Von Paris f a h r e ich für drei T a g e in d ie Schweiz.
In Zürich treffe ich mit Frau Dr. Eder-Schwyzer,                     Beruf ist sie Volkswirtschaftlerin. Sie h a t ein so z ia l­
der Vorsitzenden des Internationalen Frauen­
rates, zusam m en. Dieser F rauenrat ist eine d er                   politisches Lehrbuch verfaß t, d a s in N o rw e g e n                    Jrau Dr. Eder-Schwyzer  Aufnahm e: Blackstone Studios

                                                                     w eite Verbreitung gefunden hat. Infolgedessen gilt

                                                                     ihre Hauptarbeit dem Sozial- und Wirtschaftsrat.

                                                                     Aufmerksam folgt sie jeder meiner A ngaben. Sie

                                                                     w a r bereits e inige M ale in Berlin und w eiß, w ie in

                                                                     diese Stadt die ganze Klage des Ostens Europas

                                                                     getragen wird. Nach der Rückkehr von ihrer letzten

                                                                     Reise aus Paris und Berlin e rk lä rte sie in O s l o ,

                                                                     d a ß Berlin d e r A ußenposten d e r Dem okratie

                                                                     g e g e n d e n Kom m unismus ist. Ihre A u ffa ssu n g ist.

                                                                     daß man diesen grausamen Methoden wirtschaft­

                                                                     lich b e g e g n e n muß. Und sie sag t, d a ß es g e r a d e

                                                                     in d ie s e r F rage die A u fg a b e d e r kleinen Völker

                                                                     wie auch sonst aller materiell Schwachen und

                                                                     M achtlosen ist, d a s G ew issen d e r g r o ß e n und s ta r­

                                                                     ken Mächte zu sein.     *

                                                                     W enn der Leser der Meinung sein sollte, d a ß bei                        Jrau Aase Lionaes             Aufnahme: Billedavd,
                                                                     der W eltlage trotz des ehrlichen Bestrebens der
                                                                     Beteiligten die Kommission für Menschenrechte b e ­
                                                                     d e u tu n g slo s ist, so muß a n d e n Abschluß d e r Pariser
                                                                     Tagungsperiode erinnert werden. Die Arbeit der
                                                                     Kommission w ar die Grundlage für die A b­
                                                                     stimmung in d e r V ollversam m lung d e r UN, w o
                                                                     48 Staaten gegen 8 Stimmenthaltungen die Freiheits­
                                                                     rechte aller Menschen proklamierten. Durch diesen
                                                                     Beschluß verpflichtete sich die g a n z e h u m an e W elt
                                                                     e rn e u t, für ihre Prinzipien e in z u steh e n . In unserem
                                                                     deutschen Interesse fand der Beschluß bereits sei­
                                                                     ne n W i d e r h a l l , nämlich in d e r a m 1. 1. a n die
                                                                     Sowjetregierung gerichteten Protestnote der W est­
                                                                     alliierten w egen der deutschen Kriegsgefangenen.
   1   2   3   4   5   6   7   8