Page 5 - mosaik01_02_49
P. 5

DR. PA U L R O N G E                                                                                                                                              er die G elegenheit Vorbeigehen, vielleicht absicht­
                                                                                                                                                                  lich, weil ihm d ie n e u g e w o n n e n e E llenbogenfreiheit
Das Treueproblem in der Ehe                                                                                                                                       erstrebensw erter vorkom m t, wird die Frau je nach
                                                                                                                                                                 Temperament entw eder aus „Rachegefühlen" oder
Es ist e i n e i m m e r w i e d e r e r l e b t e S z e n e , d a s G e ­    weil das keiner mehr nötig hat, sondern jeder                                       „ M in d e rw e rtig k e itsk o m p le x e n " d e m je n ig e n in d ie
spräch mit d e r Frau, die sich scheiden lassen will.                         „o h n e seine C hancen zu v e rd e rb e n " sich als v e r­                        A rm e fallen, d e r sich ihrer — und sei es nur zum
„M ein M a n n ist mir nicht tre u , d a s k a n n ich mir                    heiratet bezeichnen kann, muß zwangsläufig der                                     Schein — annimmt.
nicht gefallen lassen." Und w enn m an d ann fragt:                           Scheidungsgrund der Untreue ein anderes Gesicht                                     Ich w ü r d e b e d e n k e n l o s e in e n S e ite n s p r u n g m a c h e n
„Ist es denn wirklich so schlimm? W ie w ä re denn                            bekom m en. Das g e r a d e d an n , w enn m an sich                                im B estreben, m einen M a n n a u f mich a u fm erk sam
Ihre Ehe, w enn Sie es nicht erfahren hätten ?" —                             gegen die Tendenzen w endet, die zur Auflösung                                     zu m achen. Im G e g e n s a tz zu m einer Forderung
„ J a , w e n n ich es nicht g e w u ß t h ä t t e , d a n n w ä r e          der Ehe als Lebensform drängen, und die Ehe                                        a n ihn, näm lich restlos offen zu sein, h a lte ich dies
es natürlich gan z etw as anderes."                                           erhalten zu wissen wünscht!                                                         um gekehrt für unzweckmäßig, denn ein Mann
W ie gesagt, ein dutzendfach geführter Dialog, der                            M an m uß sich b ew u ß t sein, d a ß m an dam it an                               w i l l betrogen sein. N ur dort, w o es G eheim nis­
m ehr als A bhandlungen zeigt, w ie es mit dem                                Persönlichstes rührt. A b er m an d e n k e an d en Ein­                            kräm erei gibt, seine Eifersucht (bzw. sein Kon­
T re u e p r o b le m in d e r Ehe und d e m S c h eid u n g srech t          g a n g d ie s e r G lo s s e zurück. In v ie le n Fällen:                         kurrenzneid) und sein 'Spürsinn gew eckt w erd en ,
b e s te llt ist.                                                             m üßten wir nicht bei wirklicher Ehrlichkeit zu geben,                             k o m m t d ie „ e r s e h n te " A b w ech slu n g in d e n All­
W i r s te h e n v o r d e r T a ts a c h e , d a ß d a s G e s e t z in      d a ß nicht die Tatsache, so ndern nur die Kenntnis                                tag und weckt das erlahm te Interesse.
seiner zur Zeit geltenden Fassung den Ehebruch                                schmerzt, d a ß also die G efahr g ar nicht von der                                D ieses „H au sm itte l" ist z w a r w irksam , a b e r nicht
als absoluten Scheidungsgrund führt. Das bedeutet,                            Ehe a u s g e g a n g e n ist, d a ß au ch d i e Ehe g a r nicht                   für jeden em pfehlenswert, weil die G efahr besteht,
d aß gegenüber dem Vortrag einer solchen Ehe­                                 g e f ä h r d e t g e w e s e n ist, so n d e rn d ie A u sstrah lu n g            d a ß die Polarität, um derentwillen die Frau das
verfehlung es keine Einwendung gibt. Derjenige,                               auf die persönliche Haltung, die nun ihrerseits                                    Experim ent unternimm t, sich nicht — w ie b e a b ­
dem der Vorwurf des Ehebruchs gem acht wird,                                  w ieder die Ehe g efäh rd et? M uß m an nicht zu­                                  sichtigt — auf den Ehepartner, sondern auf den
kann sich w e d e r d a r a u f berufen, d a ß seine Ehe im                   geben, d a ß oft hinter der Entscheidung nur die                                   „N euen" überträgt.
ü b rig e n nicht im g e rin g s te n z e r r ü tte t w ä r e . Er k a n n    verletzte Eitelkeit und in vielen, zu vielen Fällen
auch nicht sagen, d a ß diese Untreue die Ehe gar                             n e b e n d e m e i g e n e n : „ D a s k a n n ich mir nicht g e ­                H e rr H., B ea m ter b eim M a g istra t, 32 J a h re a lt
nicht innerlich und äußerlich zu berühren brauchte.                           fallen lassen" die W orte des Beraters oder der
Er k a n n a b e r a u c h nicht v o r t r a g e n , d a ß a n s e i n e r    Beraterin stehen: „Das kannst du dir nicht gefallen                                Ich b e f in d e mich in d e r L ag e — w ie m a n so s a g t —
Ehe nichts m ehr zu zerrütten g ew esen w äre, d a ß                          lassen"? Und das Letzte: G ibt es nicht genügend                                   „g lü ck lich " v e r h e i r a t e t zu sein. Ich lie b e m e in e
es auf diese Verfehlung wirklich nicht m ehr a n ­                            D inge in d e r Ehe, d ie g e fä h rlic h e r sind und sie                         Frau und hab e meinen täglichen Aufgabenkreis,
g ek o m m en sei. Vor allem a b e r kann er auch nicht                       m ehr trüben als eine Untreue, solange diese nicht                                 es b esteh en also an sich keine V oraussetzungen
dem anderen Partner den Einwand der Verwirkung                                zu einer ständigen Bindung an einen an deren führt?                                zur Untreue. Trotzdem versucht man — durch
entgegensetzen, der darin besteht, d a ß sein eigenes                         Es s i n d n ich t d i e d ü m m s t e n F r a u e n , d i e m e i n e n ,         Erfolge vor d er Ehe vielleicht noch beeinflußt— bei
Verhalten so sei, d a ß er eine Eheverfehlung selbst                          d a ß ein e E hestörung bei richtiger B ehan d lu n g im                           einer günstigen G elegenheit festzustellen, ob man
dieser Art nicht übelnehm en dürfe.                                           Gegenteil die Ehe fördere, und die selbstbew uß­                                   auch an d erw eitig noch „wirkt". Durch d a s Ent­
D ie Diskussion d a r ü b e r , o b d ie T reue in d e r Ehe                  teren, die sich tro tzd em für u n a b s e tz b a r halten.                        gegenkom m en der Partnerin ermuntert, wird man
wirklich zu ihrem innersten W e s e n g e h ö r t, ist viel­                  Es s in d w i e d e r u m a u c h d i e k l ü g e r e n , d i e e r k e n n e n ,  der Endkonsequenz kaum aus dem W ege gehen ...
leicht so alt wie die Ehe selbst. Sie muß b eg reif­                          d a ß unerfüllte Sehnsüchte gefährlicher sind als                                  D a n n ist es g e s c h e h e n . Ernüchtert stellt m a n fest,
lich erw eise neu in Fluß k o m m e n in e in e r Zeit, w o                   gelegentliche Erlebnisse.                                                          d a ß der Ehrgeiz wohl befriedigt, ab er das Selbst­
die zahlreichen Frauen, die nicht nur ledig sind,                             W ie im m er w ird in solchen Fällen d ie F ra g e nach                            g e fü h l nicht g e s t ä r k t w u r d e . In d ie s e m A u g e n b lic k
sondern ledig bleiben müssen, den Bestand der                                 d e r R e c h t s r e f o r m g e s t e l lt . Es ist d a s S chicks al d e s      wird es einem erst klar, d a ß m an sich „ d e jure"
Ehen allein dadurch gefäh rd en, d a ß sie d a sind.                          Rechts, d a ß es nicht d as Leben bilden kann, son­                                sc h u ld ig g e m a c h t u n d , w a s noch w e it sc hlim m er ist,
M an hat viel ü b er Frau Ite Jörn mit ihrer Ä u ß e ­                        dern gemeinhin aus dem Leben gebildet wird.                                        d e n E h e p a rtn e r in se in e r G u tg lä u b ig k e it h inter­
rung, d aß die Untreue gewisserm aßen das N atur­                             D aru m ist viel w ich tig er als d ie F ra g e , o b nicht d e r                  gangen hat.
recht des M annes sei, d a ß d e r treue M ann ent­                           G esetzgeber die Absolutheit des Ehebruchs als                                     Ich s e t z e in e in e m so lc h e n Falle alles a u f e in e
w ed er ein Lügner o d er Trottel sei, gespottet, trotz­                      Scheidungsgrund aufheben sollte, die an d e re : in­                               K a r t e . S ie h e i ß t : O f f e n h e i t . D a ich Ynich s e e l i s c h
dem zeigt sie mit einem w enn auch überspitzten                               w iew eit nicht eine Erkenntnis dessen, w orauf es                                 mit m e in e r Frau e n g v e r b u n d e n fü h le, s c h e u e ich
S a tz e in e n ta tsä c h lic h e n Z u sta n d auf. In e in e r Zeit,       a n k o m m t, m e h r d a z u a n g e t a n ist, d ie Ehe zu e r ­                nicht d a v o r z u r ü c k , mich ihr zu o f f e n b a r e n . Ich
in d e r d e r E hering nicht m eh r v o m Dritten als ein                    halten, als jede Rechtsform. Sollte m an nicht                                     h ab e ein Schuldgefühl und bin deshalb bestrebt,
Symbol der Bindung an einen anderen Partner                                   f r a g e n , o b nicht d a s Positive in d e r Ehe und se in e                    mir durch Liebe und W erbu ng das V ertrauen
r e s p e k tie r t w ird, in d e r d e r T rau rin g in d e r W e s t e n ­  Pflege w ich tig er ist als d a s N e g a tiv e , d ie A us­                       m einer Frau zurückzugewinnen.
t a s c h e se lb st ein im Lustspiel v e r a l t e t e s Requisit ist,       gestaltung des Scheidungsrechts?                                                   D ieser Fall m a g se h r individuell sein. In w eit
                                                                                                                                                                 h ä u fig e r a u f tre te n d e n Fällen, in d e n e n d e r M a n n
WIR F R A G E N :                                                                                                                                                seine Frau betrügt, findet er nicht d en Mut, zu
                                                                                                                                                                 s e i n e m S e i t e n s p r u n g zu s te h e n . Er w ird e s sich
   Muß Ehebruch Bruch der Ehe sein?                                                                                                                              z w a r nicht v ersag en , diesen zu m achen, u n geachtet
                                                                                                                                                                 dessen, d a ß er seiner Frau vielleicht keinen Anlaß
V a s W o r t Ehebrudh hat so etw a s unw iderruflidh Ernstes u n d Endgültiges. Es g ib t im Veutsdhen nodh eine an dere                                        g e b e n w ird, sich ü b er „V ernachlässigung" zu b e ­
Bezeidhnung, die vielleidht ein w enig frivo l klin gt, a ber für viele „Jälle" treffen der ist-, der Seitensprung.                                              klagen, a b e r ihn beichten? Nein! Die Ehe w ü rd e
                                                                                                                                                                 also ungetrübt bis zum seligen Ende verlaufen,
Die Ehen und Liebesbeziehungen in der heutigen Z eit stehen zw eifellos unter dem Zeidhen des „Seitensprungs".                                                   w en n nicht „g u te Freunde" d a v/ären, die sich ver­
Sie w erden vielfach leidht genom m en, u n d er w ird leidht genom m en — unserer M ein u n g nadh oft allzu leidht. Jedodh                                     pflichtet fühlten, d ie Ehefrau „ a u fzu k läre n ". Erst
g ib t es bei hundert B efragten: W a s halten Sie von einem Seitensprung? hundert verschiedene A ntw orten, wenn es sich                                        durch d as B ekanntw erden längst bestehender Tat­
vielleicht auch nur um verschiedene N uancen handelt und nicht um eine Verschiedenheit der grundsätzlichen Ein­                                                  sachen fühlt sich die Frau plötzlich als B etrogene
stellung dazu. M än n er sind häufig anderer Ansicht als W auen und möchten sich den Seitensprung als P rivileg sichern.                                         und geht nun ihrerseits eigene W ege.
                                                                                                                                                                 Ich h ä t t e g e n u g S e lb s tv e r tr a u e n , m e in e Frau au ch
M it unserer nachfolgenden U m frage bei verschiedenen Ehe- und anderen Paaren wollen wir weder dem Seitensprung                                                 d a n n w i e d e r f ü r m ich z u r ü c k z u g e w i n n e n . Es w ä r e
in die Seite springen noch ihn als unmoralisch ablehnen. W ir wollen lediglich anregen, einm al über ihn nachzudenken,                                           mir als M ann natürlich nicht an g en eh m , zu wissen,
gerade im V inblidk auf D r. Ponges Vorschlag: das P ositive in der Ehe mehr zu pflegen — besonders heute. V as                                                  d a ß ich d ie Frau, d ie ich im m erhin lieb e, mit je­
Positive — dam it ist die menschliche oder seelische Bindung gem eint, die besonders heute zahlreichen Belastungsproben                                          m a n d e m teilen m ü ß te. T ro tzd em w ü r d e ich, falls
au sgesetzt ist, von denen eine — leicht und schwerwiegend zu gleid} — wohl der „Seitensprung“ ist, m it dem man                                                 diese Konsequenz durch meine eigene bcnuld ent­
dem Partner oft mehr Schmerz zu fü gt und eine größere Jreulosigkeit begeht, als man selber ahnt. O der was meinen Sie?                                          standen w äre, sie einer endgültigen Trennung vor­
                                                                                                                                                                 ziehen. M einer Ansicht nach sollte man den beiten-
ES A N T W O R T E N :                                                        w e n d e t, wird sie stets für ihn „ d a sein", gleichviel,                       sprung — d en Ehebruch — nicht als b ed in g u n g s­
                                                                              w a s er tut.                                                                      losen Scheidungsgrund nehmen, solange noch eine
Frau H., E h efrau u. J llu s tr a to r in , 3 6 J a h re a lt                A n d e rs ist es, w e n n sich d e r M a n n d ista n z ie rt, un­                se e lisch e Bindung v o r h a n d e n ist, d e n n e in e p sy ­
                                                                              au fric h tig ist, u n a u f m e rk s a m und ü b e lla u n ig d e r               chische Bindung sollte vor der physischen stest den
Der Ehebruch m uß durchaus nicht im m er zum                                  Frau eine Rolle zuschiebt, d e re n Schuhw eite ihr
«Bruch der Ehe" führen. Dort, w o die Polarität d a ­                         nicht paßt. Damit provoziert er die Entfremdung                                    Vorrang haben.
durch wiederhergestellt wird, d aß der eine dem                               und den bew ußten Seitensprung, g e ra d e w enn sie
än d ern „beichtet", ihn also als gleichberechtigten                          eine Scheidung n i c h t anstrebt und häusliche                                    Frau I., R e d a k te u r in , g e s c h ie d e n , 38 J a h re a lt
pnd ebenbürtigen K am eraden anerkennt (weshalb                               Szenen verm eiden will, die sie zu einer trän en ­
'nm verziehen wird), kann d e r Ehebruch zu                                   seligen, beküm m erten, w enn nicht so g ar hyste­                                 W e n n ich e r f a h r e , d a ß d e r M a n n , d e n ich lie b e ,
tieferer B i n d u n g führen. Allerdings darf das                            rischen „ V e r la s s e n e n " s te m p e ln . Er z w in g t sie, ihre           mich b e t r ü g t - d e n n nichts a n d e r e s ist |a ein
V ertrauen in die V erzeihung des ä n d e rn nicht m iß­
braucht w erden. Denn es geht nicht um zügellose                              eigenen W eg e zu gehen.                                                             S eite n sp ru n g " - , so ist mir keine G r a m m o p h o n ­
Freiheit des Individuums, sondern um die Erhaltung                            Besinnt er sich rechtzeitig au f d en W e r t seiner                               p l a t t e h eilig ! Ich p f l e g e d a n n u n f re u n d lic h a b e r
                                                                              Frau, wird er erneut um ihre Gunst w erben; läßt                                   treffend dam it durch die G egend ^u pfeffern
        j a r 'tät in d e r Ehe. Dort, w o die Frau fühlt,                                                                                                       W e n n ich es nicht e r f a h r e - - |a, d a n n h a t er Gluck
d a ß d e r M ann sie „braucht", sich seelisch an sie                                                                                                            q e h a b t . J e d o c h h a b e ich le id e r ein sp e z ie lle s
                                                                                                                                                                 Talent für derartige Entdeckungen.
                                                                                                                                                                 W e n n d e r M a n n , d e n ich h e b e mich k o n s ta n t b e ­
                                                                                                                                                                 trügt, o b mit verschiedenen o d e r g a r mit einem

                                                                                                                                                                   festen Fall", so wird er „geturt , d .h . er findet
                                                                                                                                                                 seinen Koffer mit seinen Sachen - einschließlich
                                                                                                                                                                 aller ungestopften Strümpfe — eines Abends
                                                                                                                                                                 schlicht v o r seiner Behausung stehen.
                                                                                                                                                                 Meine persönliche Meinung: Solange man einen
                                                                                                                                                                 M enschen wirklich liebt, springt m an nicht beite.
                                                                                                                                                                 G a n z gleich, o b es sich d a b e i um M ann o d er Frau

                                                                                                                                                                 S elb stverständ lich h a b e n sow oh l in d e r T h eorie als

                                                                                                                                                                 auch in d e r Praxis b e id e P arteien d a s gleiche

                                                                                                                                                                 Recht, sich zu „betrü g en ". Kein M ann hat von

                                                                                                                                                                 seiner Frau „Treue" zu verlan g en , w enn er nicht

                                                                                                                                                                 se lb st b e re it ist, sie ihr zu bieten .

                                                                                                                                                                 y-s. i •  i i 1 * 1 // I I I ! ____ __ I I ö r» I '
   1   2   3   4   5   6   7   8   9   10