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I NHAL T DES BI SHER E R S C H I E N E N E N TEILS:                                                                               „Wir werden drei Monate sparen, sechs
                                                                                                                                  Monate."
»Welch ein schönes P a a r', urteilte alle Welt, als M arce­                                                                      „Püppchen, du verstehst n i c h t . . . Es h a n d e l t sich
line Fröjos und Robert Tavernon sich zusam m enfanden*                                                                            nicht um Zinsen."
urteilte auch Herr Galim berteaux, Roberts Onkel, in dessen                                                                       „Ist das Kapital aufgezehrt?"
Parfüm erietabrik der "Neffe eine Einlage besaß, urteilte
auch Herr Lastitien, Pflegevater von M arceline, d er von                                                                         „Vollständig."
der Ehe eine Erleichterung seiner finanziellen Lage er­                                                                           „Wie haben wir das gemacht?"
hoffte — er war mit dem Vermögen seines Mündels, ge­
linde gesag t, ein wenig leichtsinnig u m gesprungen. Da*                                                                         „D as ist mir selbst ein Rätsel."
junge Paar begann sein gemeinsam es Leben hoffnungs­                                                                              „Wir haben immer noch das Haus!" .
f ro h u n d reichlich u n b e k ü m m e rt. Ein Freund h a tte ihm,
rein aus Gefälligkeit, ein schönes Heim eingerichtet.                                                                             „150 000 Franken, wenn wir einen Käufer finden.
                                                                                                                                  Ich h a b e mich erkundig t."
L y as Haus w a r sehr klein, im Stil Louis XV.,                                   ERZÄHLUNG                                      „Die M öbel? Die Kunstgegenstände?"
                                                                      VON H ENRY DU V E R N O I S                                 „20 000 Franken, meinen die Sachverständigen."
wie er um 1890 M ode war. Die scheußlichen
Dekoralionen der A ußenw ände hatte man nicht                               Nachdruck aus „Les Souliers d t M ona ’               „Das ist e n ts e t z l i c h . .. "
verschwinden lassen können. Doch im Innern w ar                                                                                   „Das ist verdrießlich, sehr verdrießlich."
alles umgekrempelt. Hatte man die Freitreppe                                                                                      „Hast du über eine Lösung nachgedacht?"
erstiegen, so b e fa n d m an sich im Jahr 1933,
o d e r besser 1926. Man weiß, d a ß zu dieser Zeit                                                                               „Greifen wir zum A lk o h o l..."
die Schnörkel der Jahrhundertwende zugunsten
der Kuben und Nickelröhren abgeschafft wur­                                                                                       „Das ist keine Lösung."
de n . Ein b e h e r z te r M a ler ha tte sich mit d e n                                                                         „Das wira uns b etäuben, wir w erden nichts
W änden befaßt. Die Sofas verscheuchten jeden                                                                                     mehr spüren."
G ed an k e n an Ruhe. Die Sessel und die Stühle                                                                                  „Suche lieber deinen Onkel auf. Erkläre ihm
forderten die Besucher zum Stehen auf.                                                                                            alles."
                                                                                                                                  „Er hat an der Stelle einen Stein, wo andere
„Das ist alle rh a n d " , urteilte Robert.                                                                                       ein Herz haben."
„Wir müssen uns nur erst gewöhnen", murmelte
Marceline.                                                                                                                        „Ich rate dir auch nicht, dich an sein Herz zu
                                                                                                                                  w e n d e n . Sag s ihm ein fach: »Ich bin mit m einen
Der erste, d er sich ein wenig langweilte, w a r                      hast niemals bemerkt, mein Lieber, wie ver­                 Mitteln zu Ende. In acht T ag e n w e r d e n die
Robert. Gewiß, er liebte, doch nach der G e­                          rückt sie nach dir war."                                    M ä nne r des G e se tze s sich mit mir befassen.
wohnheit, die er seit seiner Jugend angenom ­                                                                                     Alles wird wieder aufgerollt werden, angefan­
men hatte, ließ er sich lieben, b e s o n d e r s .. .                „ N eh m en wir eine zwischen 50 und 60 Jahren",            g e n mit de r Abrechnung meines Anteils a n d e r
Marceline sang ihrem Mann lyrische und leiden­                        em pfahl R o b e r t . . . In d e n Salons spielte er viel  Parfümerie.« Nicht mehr und nicht weniger.
schaftliche Tiraden, deren Refrain w ar: „Du bist                     in Lustspielen. Man fand ihn charm ant und n a ­            Vor der Polizei wird er alle Manschetten haben,
schön! W ie bist du schön! Du bist beinahe zu                         türlich. Marceline antw ortete ihm mit Beschei­             d a r a u f kannst du Gift n ehm en. Ich m einerseits
schön!" Er lächelte geschmeichelt und a n t ­                         denheit ...                                                 w erde Latistien aufsuchen."
w ortete kläglich: „Und du bist ausnehmend
hübsch, das weißt du!" Schließlich fand er sie                        Um drei Uhr morgens, nach einer Nacht, in der               Am nächsten Morgen um 9 Uhr wurde Robert,
geistvoll, originell, aber leider etwas garstig.                      sie die Belustigungen von Montmartre und                    nachdem er im Vorzimmer ge w arte t hatte, vom
                                                                      M on tp arn asse hinter sich gebracht hatten, sag te        O nke l in seinem von a n g e n e h m e n G e rü c h e n
Er ist zu sehr M ü ß i g g ä n g e r , um ein e .Beschäfti­           Robert zu Marceline:                                        erfüllten Büro empfangen. Galim berteaux saß
gung* zu suchen. Vom Schneider zum Friseur,                                                                                       am Schreibtisch. N e b e n ihm standen, als un­
vom Zahnarzt zum Masseur wandern, sich unter                          „Püppchen, ich m öchte mit dir ü b e r e in e v e r­        versöhnliche Beisitzer, seine beiden Söhne, der
einer Höhensonne ausstrecken, den schlafenden                         drießliche Sache reden."                                    Ingenieur, ein wasserköpfiger Zwerg, und der
Apoll darstellend, dies alles ist keine g e re g e lte                                                                            Verwalter, ein langes Etwas, dessen herab­
Beschäftigung. Außerdem fühlte Robert, von                            „Du erschreckst m i c h . . . Es ist e tw a s Ernst­        hängende Unterlippe wie ironisches Lächeln
Liebkosungen umfächelt, eine solche physische                         liches?"                                                    wirkte.
Schwäche, daß selbst der harmloseste Sport wie                        „Sehr ernst nicht, a b e r widerwärtig. — Wir               Roberts Ausführungen w aren kurz.
etw a Tischtennis ihm zu anstrengend erschien.                        haben auch nicht den kleinsten Heller mehr."
                                                                                                                                  „Ich ha tte es e rw a rte t! Erwarte nicht, d a ß ich
Er d a c h t e erstau nlicherw eise auch nicht                        e ichnu ng                                                  dir hier eine Stellung verschaffe!" entgegnet«
daran, die Leere seiner Tage dadurch                                  o n M ia L e d e r « *                                      Galimberteaux. „Wir können schon unsere
auszufüllen, daß er seine Frau be­                                                                                                e ig e n e n Leute kaum b e z a h le n . Ich b e ­
trog. Die Anstrengung, die damit ver­                                                                                             d a u e r e , ich b e d a u e r e wirklich u n e n d l i c h . . . "
bunden gewesen wäre, besonders die
d e s l.ügens, schreckte ihn a b . Er e m p ­                                                                                                    „Ihr w erdet es wirklich bedauern",
fing die weiblichen Huldigungen und                                                                                                             fiel Robert ein. „In acht Tagen w er­
wies sie mit beharrlicher Höflichkeit                                                                                                           d en sich die M änner des G esetzes
von sich. Das Paar hatte ein neues,                                                                                                              mit meinen A ngelegenheiten befas­
sehr hübsches Z im m erm ädchen in                                                                                                              sen. Ich m ache euch d a r a u f a u fm e rk ­
Dienst genommen. W enn dieses M äd­                                                                                                             sam, daß alles wieder aufgerollt wer­
chen den Herrn allein fand, widmete                                                                                                             den wird."
es ihm glühende Seufzer. Eines Tages                                                                                                            „Freilich, freilich", unterbrach ihn d e r
ließ es ihm dieses Billett in die Hand                                                                                                          Onkel, plötzlich sehr nervös. „Ich weiß,
gleiten: „Ich liebe den Herrn zu lei­                                                                                                            worauf du hinauswillst... Bevor du
denschaftlich. Ich w e r d e mir e tw a s                                                                                                        zu mir kamst, mußt du einen Spitzel
antun. Der Herr möge mir den Ärger                                                                                                               konsultiert haben."
v e rzeih en, d e n ich ihm b ereite. Adieu,                                                                                                     „Ich schwöre dir, nein!"
Robert. Ihre ergebene Alice." Robert
suchte die Verzweifelte in ihrer Dach­                                                                                                           „ . . . oder deine Frau hat dir etwas
kammer auf, wo sie eben den G as­                                                                                                                e in g e p a u k l Ich w e r d e ke iner Erpres­
h a h n öffnen wollte. Er schloß d e n                                                                                                           sung nachgeben. Und deine Vettern,
Hahn, besänftigte Alice und nahm ihr                                                                                                             meine Söhne und Gesellschafter, tei­
das Versprechen ab, von nun an ver­                                                                                                              len meine Ansicht. Nicht wahr, Jean-
nünftig zu sein. Acht Tage s p ä te rg a b                                                                                                       C lau d e ? Nicht w ahr, Leopold? Du
d a s Zim m erm ädchen in einem a n                                                                                                              siehst, sie sind meiner Ansicht. Die
Monsieur und M adame gerichteten                                                                                                                 A b rechnung mit dir ist ein für allem al
Schreiben bekannt, daß es den Dienst                                                                                                             erledigt.( Niemand kann darauf zu­
quittiere, d a es sich mit einem Flei­                                                                                                           rückkommen. Deine Drohungen machen
schergesellen der Nachbarschaft ver­                                                                                                             mir S p a ß . . . ! Doch ich v e rz e ih e dir
lobt habe.                                                                                                                                       im Hinblick d arau f, d a ß du in einer
                                                                                                                                                 verteufelten Patsche sitz t... Lassen
„ W i e w u n d e r b a r 1" rief M arcelin e. „Du                                                                                               wir diese Zahlengeschichte und spre­
                                                                                                                                                 chen wir einm al von Gefü hlen. Ich
                                                                                                                                                 vergesse nicht, d a ß du einen N am en
                                                                                                                                                 trägst, der stets in unserem Firmen­
                                                                                                                                                 n a m e n erscheint. Es p a ß t mir nicht, d a ß
                                                                                                                                                 ein Tavernon Taxichauffeur wird oder
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