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© I E GELIEBTEN ^LE ID E R

Erfahrungen, a u fgezeichnet während der Modenwoche in Ham burg

Unser G eschm ack h a t sich g e w a n d e lt        rischen Menschen vorgeschlagen w ird
— das stellen w ir entschieden fest,                 — a b e r gem acht w ird sie von der
wenn w ir einm al unsere alten Kleider,              T rägerin. G re ift die Frau den V o r­
d ie d ie Fülle in unseren Schränken                 schlag a u f, so ist ihm d e r E rfolg gew iß.
vortäuschen, p rü fe n d ansehen. Sie                Läßt sie ihn unbeachtet, dann ble ib t
dauern uns, diese a lten Fähnchen, kurz              auch der o rigine llste Einfall ohne Reso­
und d ü rftig sehen sie aus. A b e r das             nanz. Er ist ein to tg e b o re n e s Kind.
ist es nicht a lle in , d a ß sie zu ku rz           Der w ahre M odeschöpfer arbeitet in­
sind — dem könnte man vie lle ich t m it             tu itiv und visionär der noch ungestal­
Geschick noch abhelfen — nein, ihr                   te te n Sehnsucht d e r Frau in den m o­
g a n z e r Schnitt, ih r Stil g e fä llt uns nicht  dischen Dingen entgegen und dem on­
mehr. W ie lange haben w ir das „Schul-              s trie rt ih r dann in seinen M o d e lle n
kleidchen" g e lie b t! Das einfache Kleid,          das, w as in ihrem U n te rb e w u ß tse in
hochgeschlossen, durchgeknöpff, m it                 als Sehnsucht schlummert.
und ohne Krügelchen. Und nun? Fort                   H am burg hat gerade eine Frühjahrs-
d a m it! Es ist tro stlo s und la n g w e ilig .    m odenw oche h in te r sich, d ie von a lle n
Ja, die K le id e r sind problem atischer            m odeschaffenden Kreisen, von H and­
und w ir a n sp ru ch svo lle r in m odischen        w erk und Industrie veranstaltet wurde.
Dingen gew orden. W ir verlangen von                 Eine W o c h e lang z e ig te n das H a n d ­
dem K le id , d a ß es unsere persönliche            w erk und die M odellhäuser Tag fü r
N o te ' unterstreicht. Es soll d ie w e ib ­        Tag ihre Kollektionen. Und das Publi­
liche G estalt verhüllen und doch ihre               kum w aren nicht nur die m odebegei­
besonderen Reize hervorheben. Die                    sterten Frauen und die neugierigen
M o d e sch ö p fe r haben sich von d e r            Schneiderinnen, sondern seinen m aß­
kla re n S achlichkeit in ihrem Schaffen             geblichen Teil bildeten die Fachleute:
ab g ew en d e t und haben andere Ele­               die Einkäufer der großen M odehäuser
mente — ästhetische und erotische —                  aus allen westlichen Zonen, jene M en­
zur G estaltung der M ode heran­                     schen m it dem besonderen Sinn d a fü r,
gezogen.                                             was sich m it V o rra n g durchsetzen w ird .
Können w ir aber annehmen, daß die                   Und was haben sie g e ka uft? M an
M ode nur von e i n i g e n M odegestal­             kö n n te es fa st m it einem Satz b e a n t­
te rn gem acht w ird ? Es ist schon so,              w o rte n : Kleider, die besonders w e ib ­
daß sie von nur w enigen schöpfe­                    lich sind, g in g e n am stärksten ab. Ein

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