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HAARSTRÄUBENDE BEHAUPTUNGEN

                                            F R I S U R E N U N D H Ü T E 1849 U N D 194 9

Gleich nachdem d er liebe G ott Eva aus einer                        Sie verleugnen Harmonie und Grazie, wenn ihnen                                sie jahrzehntelang
                                                                                                                                                   nichts m ehr von ihr
Rippe Adams gemacht hatte, muß es wohl                               ein Machwerk auf die Locken gedrückt wird, von                                wissen. Heute steigt,
                                                                                                                                                   wie Phönix aus der
a n g e f a n g e n h a b e n . M a n k ö n n t e sich v o rste lle nd,e m d i e V e r k ä u fe rin b e h a u p t e t , d a ß sie d a m i t d e n  Asche, alles längst
                                                                                                                                                   Verlachte wieder auf,
d a ß schon längst, ehe die Schlange das mit Eva                     „letzten Schrei" ausstieße.                                                   und unsere Damen
                                                                                                                                                   haben vergessen, daß
w e g en d es Apfels besprochen hatte, also d e r Sün­ Meistens sto ßen ihn jedoch die jew eiligen M änn er                                        sie vor kurzem noch
                                                                                                                                                   schallend darüber g e­
denfall a kut w urde, in dessen Folge als erste, aus. M an kann in b e w eg te n H utperioden — wie                                                lacht haben; mit ihren
                                                                                                                                                   Männern zugleich.
notierte modische Neuheit das Feigenblatt aufkam,                    wir sie immer wieder durchmachen und wie sie                                  Aber w ehe dem Mann, der auch nur ein
                                                                                                                                                   Schmunzeln zeigen würde, tritt ihm seine Frau
Eva singend und scherzend durchs Paradies g e z o ­ unsere U rgroßm ütter auch durchkäm pfen m ußten —                                             mit Hörnern an d er Stirn entgegen, als sei sie eine
                                                                                                                                                   G em se gew orden, oder trägt sie scheinbar ihre
gen ist, hier ein Blümlein b rech en d , d a eine Ranke              geradezu von „Saisonauseinandersetzungen" spre­                               Einkaufstasche verkehrt über den Kopf gestülpt,
                                                                                                                                                   o d e r h a t auch sie ein g ip felstü rm en d e s Etwas in
                               vom Stam m e lösend, sich             chen. Denn die Herren der Schöpfung, die — wie                                ihre (wallenden, hochstrebenden, kurzgeschnittenen)
                                                                                                                                                   Locken gedrückt. Mit W ürde und dem nötigen
                               damit heiter und sorg­                es schon das W ort bedeutet — eben v o r der                                  Ernst hat er sich an d as N e u e zu g ew öhnen und
                                                                                                                                                   V erständnis zu zeigen. W ie unklug, heute nicht
                               lo s— vielleicht aber auch            Eva d a w aren , lassen sich nicht so leicht irre­                            mehr, w ie A nno d a z u m a l, die H e rren w elt mit in
                                                                                                                                                   die Modebilder einzubeziehen. Damals lernte doch
                               schon kokett um der                   m achen. Für sie ist und bleib t d ie M o d e e in e lau ­                    d e r M ann von vornherein, wie er sich zu ver­
                                                                                                                                                   halten hatte: Immer steht er kampfbereit zur
                               reizenderen Wirkung wil­              nische Frau und kein Diktator. Für sie bleibt                                 Seite, um seiner Schönen den Arm zu bieten und
                                                                                                                                                   sie vor den eventuell und begreiflicherweise
                               len— zu schmücken. W ohl­             „schön" immer schön, und „häßlich" ist stets h ä ß ­                          eintretenden Angriffen der Gassenjugend zu
                                                                                                                                                   schützen. Viele von ihnen tragen ein wippendes
                               gem erkt: zu „schmücken"!             lich bei ihnen g e w es en . H ä n g e n d e                                  Stöckchen, die Feinde in die Flucht zu jagen.
                                                                                                                                                   Ein a n d e r e r steigt — w e n n auch sichtlich e r re g t,
                               Noch w ar sie ja nicht                Locken oder hochgebürstete oder                                               so d a ß er fast das Monokel verliert — blindlings
                                                                                                                                                   seiner A u s erw äh lte n nach, um wahrscheinlich mit
                               in d e r n o tw e n d ig e n V er­    abgeschnittene: Das, was auf                                                  ihr im W a g e n zu ersticken.

                               legenheit, ihre Blöße dek-            ihnen ruht, sollte stets so sein,                                              Das alles zeugt von Mut, und es wird klar, d a ß die
                                                                                                                                                   M o d e von d e r Frau, die sich ihr mit „Hut und H a a ­
                               ken zu müssen. Sie wird               daß es dem Manne, für den „es"                                                ren" verschrieben hat, blinden Gehorsam, von dem
                                                                                                                                                   M anne jener Frau ab er den Mut eines Löwen verlangt.
                               also dies süß schmückende             ja schließlich getragen wird, immer
                                                                                                                                                   Allerdings gibt es noch eine S aga; die Saga von
                               Beiwerk dort angebracht               als d a s erscheinen kann, was                                                den Baskenmützenträgern. Die handelt von W esen
                                                                                                                                                    männlichen und weiblichen Geschlechts, die auf
                               haben, wo schon die                   es seinem N am en nach sein                                                   den schlichten, naturgewellten H aaren beide die
                                                                                                                                                   gleichen runden, flachen Kappen tragen sollen —
N atur ein übriges g etan h atte/ die schöne Eva noch                sollte, nämlich „Kopfbedeckung"                                                ich g l a u b e , a u ch schon seit A d a m und Eva. Von
                                                                                                                                                    ihnen heißt es, sie seien glückliche und besondere
schöner zu machen. W ir können uns unsere un­                        und „Behütung" der Frau, neben                                                Menschen, de n en die Versuchung in G estalt einer
                                                                                                                                                    Putzmacherin in ihrem E rd en p a ra d ie se niemals ge
berührte erste Vorfahrin — längst vor der Feigen­                    d e r kein e r r ö t e n d e r G a t t e mit                                   fährlich w e r d e n k ö n n te. Es ist, w i e g e s a g t , e in e S a g a .

blattperiode — mitbekränztem und geschmücktem                        v orgew ölbter Brust, die g e b all­

H a u p t imP a r a d ie s v o rste lle n . D em lie b e n G o tt ,  ten Fäuste in d e n H osentaschen,

ihrem M anne Adam und den Tieren zur reinen                          grimmig die Blicke und Bemer­

Freude. Dies dürfen wir getrost als natürlichen                      kungen der Passanten auffan­

Beginn d er Frisur- und H utm ode ansehen.                           gen muß.

Seit jenen Tagen geht                                                Doch Eva hin, Eva her. W o zu

es in d e r M o d e b e r g ­                                        so unpersönlich, wenn jeder von

auf und bergab; wer­                                                 uns nur in einem alten Familien­

den hängende und wer­                                                album zu blättern braucht, um

den hochgekäm m te Lok-                                              das bestätigt zu finden, was auf einem hundert­

ken getragen. Nach                                                   jährigen Bilderbogen ein zynischer und haßerfüllter

ihrer Form, nach der                                                 Mann — dem vielleicht durch die dam alige M ode

Frisur also a b e r wird                                             nicht „alle Blütentröume reiften" — anzuprangern

d a s gebildet, was die                                              versucht. W erden unsere schon bereits erwähnten

Frauen schon seit Jahr­                                              U rgroßm ütter nicht mit d e r gleichen hingebungs-

tausenden kühn als                                                   ‘ vollen Andacht vor jenen Karikaturen gestanden

„Kopfbedeckung" oder                                                 haben, wie die jungen Frauen unserer Tage vor dem

„Hut" zu bezeichnen                                                  Schaufenster stehen, wo neben spiegelndem Parkett

pflegen.                                                             und einem Gummi­              M
Die Kleidermode kennt                                                b a u m (immer ist es ein
ihre G renzen: Da sind         wenig  bedeckt werden                 Gummibaum. Reiche
Beine, die ganz, halb oder                                           m ö g e n sich v o m 2.

k ö n n e n ; d a sind Arme, d ie in langen, glatten                 ins 3. und d a n n ins
o d e r g e b a u s c h te n und in g a r keinen Ärm eln stecken:    4. v e rw a n d e ln !) auch

da gibt es eine Taille und da gibt es Hüften, um                     noch etw as am Fuß­

beides hat sich d er Stoff weit o d e r eng zu schmie­               boden liegend zu

ge n , und nicht a n d e r s ist es mit Busen und Rücken.            seh en ist, w as ein

Dem Hut a b e r ist nur d ie un tere Basis g e g e b e n .           Mann — und hätte

Und so vergißt er immer wieder, d a ß er Bedeckung,                  er den besten Wil­

ja Schutz dieses Kopfes sein sollte. Statt dessen,                   len! — niemals als

d a ihm nach d e n Seiten und nach o b e n e b e n keine             Hut erkennen könnte.

G ren zen g e z o g e n sind, macht er sich so selb stän ­           Eine Frau begreift so schnell, sie lernt so schnell

dig, d a ß die unter ihm w an d eln d e Frau nur noch                um und . . . vergißt so rasch: So wie ihr damals

als Beiwerk oder gar O pfer erscheint. Aber die                      die m onströse Schneckenfrisur mit dem gipfelstür­

Frauen trag e n ihr Joch (und ihren Hut) geduldig.                   m enden Band als letzter Schick erschien, so wollte
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