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Was sagen Sie dazu?                                                                                                                                             Kurze Urlaube brachten uns einander noch näher,
                                                                                                                                                                so d a ß e s nicht, w ie in an d eren Ehen, zu einer
An dieser Stelle setzen wir die Reihe unserer Tragen und Probleme fort, die über das persönliche Inter­                                                         Entfremdung kam. Mein Mann kam aus der Kriegs­
esse des Tragenden hinaus audh die Allgemeinheit interessieren. Zu den wichtigsten dieser Tragen nimmt                                                          gefangenschaft, und alles sollte w eitergehen w ie
die Tierausgeberin unmittelbar anschließend Stellung. Die anderen möchten in unserem Leserkreis                                                                 zuvor.
Ausgangspunkt für Überlegungen und Diskussionen sein. W ir wären dankbar, wenn wir in Briefen                                                                   Der Verdienst reichte nicht; es g a b kein M aterial,
erfahren könnten, was unsere Leser dazu zu sagen haben, daher numerieren wir die Veröffentlichungen                                                             dann kam d ie W ährungsreform , und nun war
fortlaufend. Auch m ähten wir glauben, daß uns laufend neue Tragen und Anregungen erreichen. Jeden                                                              überhaupt kein G eld mehr da. Unzufriedene
Brief werden wir beantworten, alle von allgemeinem Interesse an dieser Stelle veröffentlichen.                                                                  Freunde überredeten meinen Mann, auf Schwarz­
                                                                                                                                                                fahrten mitzukommen. Nun behauptet er, dieses
       Auswandern oder nicht?                                                                     nehmlich auf technisdre Tachkräfte beschränken zu             L andstreicherleben lä g e ihm mehr und brächte vor
                                                                                                  wollen. Teste Quoten gibt es audo hier nicht. Brasilien       allem mehr ein . Ich sei undankbar und unvernünf­
Ich bin 22 Jahre alt. D ie E reignisse h ab en mich                                               macht zum Beispiel für Deutsche die Einwanderung von          tig , d a ß ich nicht d a s h öh ere Einkom men a n ­
                                                                                                  einem Arbeitsvertrag oder aber von einer Einreise­            erk en n e, son dern au f Rückkehr in d a s Bürgertum,
jahrelang hin und her geschleu dert. Unter sehr                                                   genehmigung nadj Brasilien abhängig. Außerdem ist die         in den erlernten Beruf, d rä n g e. Er h ätte — nach
                                                                                                  Passage in Brasilien zu bezahlen (nicht in deutscher          seiner Ansicht — doch d ie Aussicht, durch Handel
schw ierigen Lebensum ständen bem üh e ich mich                                                   Währung). Interessenten wenden sich — sofern sie diese        und Anknüpfung neuer Beziehungen bei Über­
                                                                                                  Bedingungen erfüllen — an die Brasilianisdre Militär­         landfahrten ein n eu es Leben zu b egin n en . Ich
aber jetzt doch noch, eine ordentliche Ausbildung                                                 mission in Berlin-Wannsee. Hugo-Vogel-Straße 20.              fürchte nur — d ie se s n eu e Leben e n d e t e in es T ages
                                                                                                  Bei dem allgemeinen Aufbau einer neuen Tnedenswirt-           im G efän gn is!
zu bekom m en. Ich sitz e a lso a b e n d s nach Büro­                                            schaft nadj dem Krieg und besonders dem Bemühen der
                                                                                                  Uberseeländer, sidi eine eigene Industrie aufzubauen,         O Schauspielersfudio
schluß auf der Schulbank und will das Abitur nach­                                                sind also die beruflichen Entwidklungsmöglrchkeiten im                                   oder Provinzschmiere
                                                                                                  Ausland, vor allem für Tacharbeiter und Spezialisten,
h olen . O b ich zum Studium z u g e la sse n w e rd e,                                           gut. U nd das sind gerade diejenigen, die in Deutschland      Kürzlich w ar ich mit v iele n jungen und älteren
                                                                                                  selbst zu dem Wiederaufbau der W irts h a ft dringend         Schauspielern zusam m en, und es entstand eine
w e iß ich noch nicht. Fam iliäre Bindungen h a b e                                               nötig sind und die s h lie ß lih a u h meist bereits eine     w ilde D ebatte, w as nützlicher für den Nachwuchs
                                                                                                  Beshäftigung hier gefunden haben. Ungelernte werden           sei: Schauspielerstudio oder Provinzschmiere.
ich als O stflüchtling nicht mehr.                                                                draußen so gut wie gar n ih t gebrauht. Als D eutshe          Die einen behaupteten, der Nachwuchs könne
                                                                                                  iverden sie infolgedessen nur in sehr s h l e h t bezahlten   w ed er stehen noch sitzen, vom Sprechen ganz zu
Ich m eine a b er: D eutschland, d ie se r g r o ß e Trüm­                                        Stellungen der Land- und H ausw irtshaft, die die Ein­        schw eigen; er habe keine Ahnung vom Schminken
                                                                                                  heimischen ablehnen, untergebracht Sie haben dort ein         und schm isse a lle Stücke, w eil er nicht im provisieren
m erhaufen, kann mir k ein e vernünftigen Zukunfts­                                               shw eres Brotverdienen, vielleiht shwerer als in ähn­         k ön n e, falls er mal se in e Rolle nicht im Traum au s­
                                                                                                  lichen Beshäftigungen innerhalb D eutshlands.                 w endig herunterleiere. Nur die Provinzschmiere
m öglichk eiten bieten . W a s b e d e u te t mir ein er­                                         Sofern Sie dennoh den W eg n a h draußen wählten,             sei d a s W a h re, nur dort lerne m an all d ie M ätz­
                                                                                                  würden Sie weiter feststellen können, daß es z. B. stärker    chen, d ie erst den richtigen Schauspieler, d en nicht
lernter Beruf, w enn ich kein e A rbeit b ek om m e und                                           abgestufte soziale Rangstufen gibt als bei uns und daß         einmal M ephisto persönlich auf der Bühne er­
                                                                                                  n ih t überall die soziale Siherung, beispielsweise bei       schrecke, zu dem großen Künstler machten, den
Schutt schippen muß? Vielerorts draußen aber                                                      Alter, Arbeitslosigkeit oder Krankheit, so ausgebaut ist      wir uns alle wünschen.
                                                                                                  wie die unsrige. Sie sollten a u h nicht vergessen, daß        Die anderen nieinten, die Entbehrungen und Un­
werden junge Menschen gebraucht. Am liebsten                                                      Sie sich in den Umgang mit M en sh en anderer S prahe          ruhe der kleinen Provinztheater verdürben den
                                                                                                  und anderer Sitten hineinßnden müssen. Dazu kommt              Charakter, ließen das Können nicht ausreifen. Nur
m öchte ich ausw an dern . K önnen S ie mir sa g e n ,                                            das n o h weitreihende Mißtrauen gegen D eutshe die            in der Stille e in es Studios, unter der Leitung kluger,
                                                                                                  traurige E rbshaft der Hitlerzeil — , das Ihnen von vorn­      erfahrener Künstler reife d as wirkliche Talent.
w ie die W e g e und w ie die Aussichten sind?                                                     herein m anhes Hemmnis in den W eg legen könnte.              Die Turbulenz dieser Erörterung, bei Schauspieler­
                                                                                                   W enn Sie also meinen, in der fernen W elt den Erfolg         tem peram enten nicht verwunderlich, ließ mich
                                                                                 Ella S., Berlin   und das Qlücfk zu finden, so ist das dort genau wie bei uns   nicht zu ein er ruhigen Entscheidung kom m en. Mir
                                                                                                  eine S ä h e Ihrer persönlichen Hände und der Anstrengun­      feh lt auch d ie Erfahrung d a z u , a b e r w ie e s nun
Die Herausgeberin antwortet:                                                                      gen Ihres eigenen Kopfes, überlegen Sie also reiflih,          wirklich sein so llte, d as w ürde mich schon inter­
                                                                                                  ob Sie n ih t Ihre Kräfte n o h sinnvoller in Ihrer Heimat     essieren.
Daß ein junger SWensch nach all den Xatastrophen, die                                             anwenden könnten. Sie helfen s i h selbst, zu g leih aber
die deutsche lugend durchgemacht hat, wieder festen                                               den Ihnen am nähsten stehenden M en sh en und Ihrem              MOSAIK
Boden unter den Tüßen haben und klare Verhältnisse vor                                            Land. D eutshlands M öglihkeiten sind nicht so s h le h t,
sich sehen will, wird jedem Einsichtigen nur zu verständ­                                          sofern nur die Jugend begreift, daß es an ihr selbst liegt.  DAS MONATSBLATT DER ZEIT
lich sein. Aber die ‘Möglichkeiten einer Auswanderung                                              Scheuen Sie also n ih t vor einer Periode des Ent-
sind noch sehr begrenzt, weit begrenzter jedenfalls als die                                        trümmerns und Shuttforträum ens zurüdk. Sie legen sich       AUS  DEM  INHALT
Schwierigkeiten, die sich ihr durdhweg entgegenstcllen. Es                                        damit selbst erst die T lä h e frei, auf der Ihre Phantasie
 muß zuvor ein H aufen von Tormalitäten erledigt wer­                                             und Lebenskraft die Z uku n ft gestalten wird.                                    Si e s p r e c h e n mit . . .
den, und der dazu nötige Aufwand an Zeit und X raft stellt                                                                                                                            Ideen und Initiative
 die Zähigkeit des Auswanderungswilligen — die Eigen­                                             O Unweibliche und unmännliche Berufe                                                  Kleine Ballermen
schaft, die er später einmal am nötigsten brauchen wird
— auf eine harte Probe. U nd nachher im fremden Land                                               G estern w ar ich seit lan ger Zeit w ie d e r mit Be­                      Familie und Verwandtschaft
beginnen erst recht die Schwierigkeiten und Hemmnisse                                                                                                                            Physiognomisches Mosaik
neuer Art, die schon früher, in besseren Zeiten, manchen                                           kannten zusammen und erzählte, ahnungslos, w el­
Auswanderer in die Heimat zurüchge trieben haben.                                                                                                                             Schw arzweiß für d e n Frühling
Am freundlichsten verhalten sich bisher gegenüber einer                                            chen Sturm ich h erau fb esch w ören w ü rd e, d a ß ich                              Launische Mode
Auswanderung aus Deutschland die Vereinigten Staaten,
wenn auch die .Q uote für allgemeine Auswanderer" für                                              mich mit einem Tänzer verlobt hätte.                                   „Haarsträubende Behauptungen"
die nädosten zwei Jahre grundsätzlich auf 7 000 Personen                                                                                                                 Z w i s c h e n A n ge l und Tür, Erzählung
jährlich beschränkt ist. Allerdings dürfte es für den Aus­                                         Ein Tänzer sei überhaupt kein M ann, w ar noch
 wandernden von Vorteil sein, wenn ein amerikanisdrer                                                                                                                            Spiele in d ei D ä m m e r u n g
 Staatsbürger die Bürgschaft übernimmt, bei Hotlage                                                d a s m ild este, w a s ich zu hören bekam . Ja, a lso
 (Krankheit) voll für seinen Unterhalt einzutreten, und                                                                                                                                                     *
 auch die mindestens 160 Dollar betragenden überfahrts­                                            gibt es denn so etw as noch heute? D iese Vor­
 kosten hinterlegt. Denn keiner der Einwanderer soll der                                                                                                                                      Titelbild
 öffentlichen TPohlfahrt des Landes zur Last fallen.                                               urteile! Schließlich lieben wir Frauen ja nicht den                                Farbieichnung von H ans Boht
 Altersgrenzen sind nicht gezogen. Tür Ehefrauen und
 minderjährige Kinder muß der Tamilienvorstand (Ehe­                                               Beruf, sondern den Mann — und wenn der männ­                                                              *
 mann oder Vater) den Antrag unterschreiben. S d nift-
 liöhe Anträge auf Vormerkung auf der Warteliste zur                                               lich ist, kann es uns doch g leich gü ltig sein , o b er                         Modezeichnungen
 Auswanderung in die Vereinigten Staaten können vor-                                                                                                                                von Lilo Kitte!, J o s e f M eister
■erst nur von den Bewohnern der Westzonen und der                                                  sonst mit au sgestop ften W a d en herumhüpft. Auch
 W estsektoren Berlins an das zuständige Konsulat gestellt                                                                                                                                                       *
 werden. Das US-Qeneralkonsulat in Berlin, Lentze-                                                 Friseure, Schneider und Köche verfielen dem ver­
 allee 1 07, nimmt nur Anträge aus den Westsektoren Ber­                                                                                                                                Jl Iust ra t i o n e n
 lins an. Tür die britische Zone ostwärts der Weser ist                                            nichtenden Urteil.                                           von Blatty, Scholz-P eters, Trajun, U rsel W achsm uth-K ieB ling
 das Konsulat in Hamburg zuständig, für den Rest der                                               Da könnte man doch glatt antw orten: ein w eib ­
 britishen Zone und die Enklave Bremen das Konsulat                                                                                                             H erau sg eb er: A nnedore Leber. — Mit Z ulassung
 in Bremen, für Hessen und die französische Zone west­                                             licher Pfarrer oder Chemiker oder Redakteur, die             N r. 132 d e r B ritischen M ilitä r r e g ie r u n g . — R ed a k ­
 lich des Rheins das Konsulat in Trankfurt a. M . Be­                                                                                                           tio n , D ru c k und V erlag : B erlin-G runew ald, Bismarck­
 wohner von Württemberg-Baden einschließlich der fran­                                             Straßenbahnschaffnerin, Fabrikarbeiterin — sie               p la tz , T elefon 97 79 21. S atz- u n d B ild h e rs te llu n g :
 zösischen Zone schreiben an das Konsulat in Stuttgart,                                                                                                         A rno Scholz Druck G . m. b. H. A n zeig en an n ah m e
 Bewohner von Bayern nach München.                                                                 sind keine Frauen, w eil sie einen unweiblichen              und A lleinvertrieb: tw ag, Internationale W erbe u.
 Tür Qroßbritannien und die anderen Empirestaaten gibt                                                                                                          A nzeigengesellschaft m b. H., B erlin-G runew ald,
 es keine allgemeine Registrierungsmöglichkeiten für Ein-                                          Beruf ausüb en . Es kann doch schließlich auch nicht
 wunderer. 7ür T'rauen — nidht für !Männer — kann auf                                                                                                           B ism a rck p la tz, Tel. 97 53 12. P o sta b o n n e m e n t v ie rte il.
 Anforderung durdi das britisdhe Arbeitsministerium oder                                           jeder M ann ein Rennfahrer o d e r Held sein — im            3,00 DM W est bzw . 6,— DM O st zu zü g l. Z u stellg eb ü h r.
 durdh die Arbeitsbehörden des betreffenden Empirestaates
 dann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, wenn                                                übrigen haben wir doch wohl von H elden genug!
 z. B. die Industrie dort bestimmte Tachkräfte sucht. K ürz­
                                                                                                   Q Schwarzfahrten statt Handwerk
  lich ivurde beispielsweise eine beschränkte Anzahl von
 Hausgehilfinnen angefordert. Aufrufe dazu ergehen von                                              Bin ich altm od isch ? Erkenne ich nicht an, w ie
 Tall zu Tall durch die Presse und über den Rundfunk.
  Meldungen sind dann an das zuständige Arbeitsamt zu                                              sehr mein Mann sich für mich und d ie Kinder a b ­
  richten.
 Tür Trankreich gibt es ähnliche Regelungen. Quoten für                                            schuftet? Bitte, urteilen Sie — und s a g e n Sie mir,
  die Einwanderung sind auch dort nicht festgelegt. Er­
  laubnis wird auch hier in den einzelnen Tällen auf A n ­                                         w a s ich tun soll.
  trag des französisdhen Arbeitgebers erteilt. Hähere Aus­                                         W ir heirateten kurz vor Kriegsausbruch. Mein
  künfte erteilen die deutschen Arbeitsämter und die Be-
  zirkskommandanturen der französischen Zone,                                                       Mann war ehrsam er Schneiderm eister; seine und
  überseeische Länder, insbesondere Brasilien und Argen­
                                                                                                    m eine Eltern sind ruhige, ordentliche Bürger, und
  tinien, scheinen die Erlaubnis der Einwanderung vor­
                                                                                                    all d ie Jahre hindurch galt mein g a n zes Denken

                                                                                                    nur m einem M ann und d en b e id e n Kindern.
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