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GESPRÄCHE

 ln der'' französischen Z one m it dem Regierungs­             gen Deutschen vo r allem um Verständnis                    Junge Deutsche und ju nge Franzosen beim M ittagstisch in Konstanz
                                                               rin ge n und sich in Pßege a lle r Form en d er            g e le g e n tlic h e in e r gem einsam en S tu d ie n fa h rt durch SOddeutsch-
 sitz Baden-Baden besteht ein starkes Bestreben,               G astfreundschaft um herzliche Aufnahm e                   la n d . In den G esprächen solchen Beisammenseins werden die
                                                               mühen, so sind die meisten jungen Fran­                    G run d la g e n fü r ein kommendes herzliches Einvernehmen zwischen
 die französisdje und die deutsche Jugend zu                   zosen zunächst begreiflicherw eise zurück­                 b eiden V ö lkern g elegt. A u f n a h m e n : Presse-Foto W . G enzie r
                                                               h a lte nd , ihr erster H ä n d e dru ck ist eher ein
 gemeinsamem Gedankenaustausch zusammen­                       W ille n s a kt als eine spontane Geste. Von              „D a s T reffen" he iß t eine Z e its c h rift, in d e r d ie ju n ge n Me^
                                                               deutscher Seite ist man a llz u g e rn g e n e ig t,      beid e r N a tio n e n das Fazit ih re r Erlebnisse und ihres
 zubringen. £s sind Jagungen in Deutschland                    die A nknüpfung von Freundschaften als                    kenaustausches ziehen. Z u g le ic h s te llt sie fü r a lle Teil
                                                               Ziel solcher Treffen anzusehen. M an g laubt              eine schöne Erinnerung an gemeinsam verlebte Stunde
■und T rankreich veransta ltet w orden. Beob­                 schon die Vergangenheit überv/unden, man
                                                               glaubt, daß G renzen verwischt werden                     Beim Abschied in Freiburg w erden herzliche Fländedrücke ge­
 achtungen und Gedanken, die sich besonders                    können durch gemeinsam gesungene Lie­                     tauscht und mit ihnen bestätigt, daß Deutsche und Franzosen sich
                                                              der, durch gemeinsam eingenom m ene                        gut verstanden haben und daß dieses Einvernehmen weit u“ ®r
 aus der jüngsten Jagung in Germersheim er­                    M ahlzeiten, durch gemeinsam ertragene                    persönlich geknüpfte Freundschaften hinaus Frucht bringen so I.
                                                              Strapazen, durch gemeinsam verbrachte
 gaben, w urden hier aufgezeichnet. D er V e r­               gem ütliche Abende. Der Verständigungs­
                                                              wunsch entspringt fü r Deutsche aus den
 fasser w a r an dem Zustandekom m en der                     G efühlen, und vielleicht h offt man, mehr
                                                               oder w eniger bewußt, unter dem Deck­
 Jagungen und der Betreuung ihrer Teilnehm er                  mantel der Freundschaft einer w irklichen
                                                              geistigen und politischen Stellungnahme
 von französischer Seite aus maßgebend beteiligt.             ausweichen zu können. Von französischer
                                                              Seite aber kom m t man eher, um nüchtern
7                                                             d ie Lage zu betra ch te n , um sich zu in fo r­
   I ugend ko m m t m it Jugend rasch ins G e-                m ieren, um zu sehen, in w ie w e it die g le i­
  ' sprach. Es w id e rs p ric h t ihrem W esen,              chen Probleme fü r beide Länder gelten
g e d a n k lic h e V o rb e h a lte zu m achen, es e n t­    und inw iew eit gleichartige Lösungen ge­
spricht ihrer N eigung, über die Schwierig­                   funden werden können. Der Verständi­
keiten sprachlicher Verständigung mit herz­                   gungsw ille der Franzosen enispringt eher
haftem M ut hinwegzuspringen. W enn man                       aus d e r V e rn u n ft und g rü n d e t sich a u f d ie
sich in Frankreich zu dem G e d a n ke n d u rch ­            Erkenntnisse politischer N otw end gkeit.
gerungen hat, daß ein W ie d e ra u fb lü h e n
Europas nicht m inder eine Frage gem ein­                     Die Aufgeschlossenheit der jungen Deut­
samer politischer Erkenntnisse w 'e auch w irt­               schen b e ru h t in vie le m a u f ih re r N e u g ie r
sch a ftlich er A ng le ich u n g en ist, so w a r d ie       auf alles Fremde, auf der Sehnsucht nach
französische M ilitä rre g ie ru n g gut beraten,             der W e ite der W e lt, auf dem Wunsch nach
als sie schon im Jahre 15M6 d e r Jugend                      einem von allem Zwang befreiten Land,
beider Länder die M ög lichke it zu häufiger                  vo r allem bei denen, die an den A ben­
und langandauernder persönlicher Aus­                         teuern der m ilitärischen Fe'dzüge noch
sprache schuf. Da Deutschland seiner Sou­                     nicht teilgenom m en und nur das Elend der
v e rä n itä t b e ra u b t ist, m ußte d ie A ...e g u n g   Flüchtlingszüge kennengelernt haben. Ihre
und d er A n trie b in e rste r Linie von F rank­             Zurückhaltung aber erwächst aus dem G e­
reich ausgehen.                                               fühl, einer fortschrittlichen W e lt gegenüber
                                                               noch sehr im Rückstand zu sein. Dem v o r­
Die Aussprachen begannen m it gelegent­                       g e tra g e n e n W o r t g e g e n ü b e r zeigen sie
lichen in te rn a tio n a le n S tu d e n ie n tre ffe n in   eine offensichtliche Abneigung, und vor
Freiburg, Tübingen und M ainz, die mehrere                    einer echten Diskussion haben sie Angst,
W ochen dauerten, und m it Gesprächen                         w e il sie sich in s tin ktiv gegen alles das
zwischen Jugendleitern, d ie der gleichen                     wehren zu müssen glauben, was einer Pro­
 politischen und konfessionellen Richtung                     paganda und einer dialektischen Schein­
a n g e h ö rte n . V on 1947 an e rw e ite rte n sie         lösung ähnlich sieht.
sich zu re g e lm ä ß ig e n Tagungen.
                                                              Die Aufgeschlossenheit bei der fran zö si­
In H eim en v e re in ig te n sich je w e ils 50 bis          schen G ruppe entspringt und entspricht der
öO S tudenten, d a v o n m eist ein D ritte l                 steten Bew eglichkeit, ja A ngriffsbereitschaft
Franzosen, ein D rittel Deutsche und ein                      des französischen Geistes m it a ll seinem
D rittel Teilnehm er aus anderen Ländern.                     O ptim ism us, all seinem pädagogischen
Diese gemeinsam gehörten V o rträ g e , die                   W ille n und seinem guten Gewissen (dies
M ahlzeiten, die Spaziergänge, die Theater­                   alles z u w e ile n in fa st ü b e rtrie b en e m M aße).
besuche und eigenen A ufführungen ir der                      Ihre Zurückhaltung aber entspringt aus der
Freizeit erlaubten ungezw ungene und aus­                     noch frischen Erinnerung an den Krieg, an
g e d e h n te Diskussionen. Im m er w a re n es              die Besetzung und aus dem trad itio n e lle n ,
d ie gle ich e n G ru n d th e m e n , d ie g !eichen         gew iß nicht unberechtigten M ißtrauen
„bre n n e nd e n T agesfragen", um die die                   gegenüber deutscher „G e fä h rlic h k e it". Die
G espräche kreisten: die H altung der Be­                     jungen Franzosen sind g e festig te r durch
satzungsmacht, die Frage der K o lle ktiv­                    d ie V e ra n tw ortu n g , die sie übernom m en
schuld, der konstruktive G edanke W e st­                     haben, sie sind d a ra u f bedacht, die Frei­
europas, die Haltung Sowjetrußlands, der                      heiten, fü r die sie g e kä m p ft haben, zu
W eg zu einem w ahren und dauernden                           bew ahren, sie bewachen eifersüchtig die
W e ltfrie d e n . M it Erstaunen nahmen die                  W e rte des Fortschritts, vo n denen sie sich
ju g e n d lich e n T eilne h m e r w a h r, da ß es          eine bessere Zukunft versprechen.
s ch w ie rig , ja b e in a he un m ö g lich ist, so
v ö llig a n e in a n d e r v o rb e iz u re d e n , w ie es  A b e r a lle diese W idersprüche, diese un­
d ie Vertreter der älteren G eneration auch                   gleichen M aß stäbe sind kein Hindc ungs-
heute noch a llz u o ft tun. G e w iß , auch in               grund fü r fruchtbare Zwiegespräche, ja der
den G esprächen d e r Jungen e rg e b e n sich                aufm erksam e Beobachter möchte eher sa­
W idersprüche: N eigungen und M ißtrauen,                     gen, daß ge ra d e durch sie die G espräche
S ym pathie und Ressentiments verleihen                       noch dichter, bedeutungsvoller und frucht­
auch ihnen zu A n fa n g noch o ft jenen b it­                barer w erden. M an muß m it allen Kräften
tersüßen Beigeschm ack vo n in A ffe k te n                   nach einer psychologischen, politischen und
ruhenden, durch die Geschichte gegebenen                      geistigen Übereinstim m ung streben. Das
Gegensätzen. W enn aber die jungen                            ist ge w iß nicht leicht zu erreichen, braucht
Menschen einm al über diese verständlichen                    viel guten W ille n und viel Zeit. Der Ju­
R eaktionen h in a u s g e la n g t sind, w enn sie           gend steht dies alles zur Verfügung, und
sich a u fric h tig um K la rh e it und ko n kre te           sie ist b e re it, dieses a lle s zu o p fe rn .
Ergebnisse bem ühen, wenn sie a u f das
nüchterne Feld m ethodischer G e g enüber­
stellung in gem einsam er A rb e it vorstoßen,
so e rg e b e n sich a u f S chritt und T ritt neue
W idersprü ch e : W ä h re n d die meisten jun­
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