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J (S c h I u ß) ERZÄHLUNG „ P a p a ist d ieser T ag e oft a u f K onferenzen."
ch bew u n d ere euch", stotterte sie. „W elch
ein P a a r ! Ich b e w u n d e r e euch a lle b e i d e . . . VON HENRY DUVERNOIS» Sie versuchte, Haltung zu bew ahren. Jean-
W e n n Ihr einmal N o u c h a braucht" — d a s w a r d e r Claude seinerseits w ar bemüht, seine Unter
K osenam e, mit dem sie sich im Freundeskreise Nachdruck aus „Les Souliers de M ona" lippe anzuziehen und sein ewiges Lächeln zu
nennen ließ — , „d an n z ö g e rt nicht. Kommt zu unterbrechen.
m i r . . . Ihr seid jung. Ihr seid ein bißchen un „Ich h a b e nicht verm uten können", ächzte er,
bändig! Noucha wird euch die Familie er „d aß anständige Leute einen arm en Familien „Du machst mir viele Sorgen, Cousine", sagte
setzen." vater, der ihnen vertraute, zum N arren halten er. „Auch Papa wird sehr bekümm ert sein,
w ü r d e n . Ich h a b e d e n K av iar b e z a h l t und d ie w e n n ich ihm e r z ä h le . . . N u r h a b e n w ir R o b ert
„Sie ist betrunken", b em erkte M arceline, als sie G änseleber und die Hühnchen, die Getränke, schon mehr, geholfen, als es unsere Mittel er
die Tür hinter M adam e Zina'idella schloß. ganz zu schweigen von dem Kirschenkompott lauben . . . Papa hat einen Vorschlag für euch.
„W enn wir sie beim W ort nehmen, würde sie und den kandierten Früchten. Versuchen Sie Er stellt euch z w e i h u n d e r tf ü n f z i g F ra n k e n m o
uns fünfhundert Franken anbieten, die wir e in m a l, e t w a s zu v e r k a u f e n . . . Ich h a b e für natlich zur Verfügung. Das erscheint euch
monatlich mit hundert Franken und d azu einem a n d e r e zu s o r g e n , M a d a m e . G leic h w e r d e ich wenig angesichts eurer luxuriösen G ew ohn
H aufen Zinsen a b z u z a h le n h ä t t e n . . . Ich h a b e w i e d e r zu H ause sein. M eine Familie wird mich heiten. A b e r zu e u r e r In fo rm atio n k a n n ich
e tw a s u n tern o m m en , mein Lieber. Ich h a b e mit f r a g e n . Bei Ihnen liegt es, w a s ich a n t w o r t e n euch sagen, d a ß Päpa sein Jagdhaus verkaufen
deinem Filmmann gesprochen. Herr Rigogne, der w e r d e . Ich bin ein ehrlicher M ann. M eine w ird. Er ist völlig v erschuldet."
an d e r Firma »Ad Astra« beteiligt ist, hat mir seine O r a n g e a d e ist au s O r a n g e n hergestellt . . .
Karte g e g e b e n . Damit kommst du ins Atelier. W ollen Sie mirerlauben, mit dem Herrn zu M arceline w a n d te ihm den Rücken. Doch gleich
Ich w e r d e dich b e g le ite n . Ich h a b e ihm g e s a g t, s p r e c h e n ? Ich w e r d e ihn e r w eic h en . Ich w e r d e d a r a u f d reh te sie sich um und nahm d a s A n
du bist der schönste Mann der W elt, du spielst ihm von seinem V ater erzählen, d e r mein b ester erbieten an. „Ich muß lernen, mich für meinen
T h e a te r w ie kein z w eiter. D a nn h a b e ich noch K und e w a r . . . Führen Sie mich zu ihm, ich G atte n zu dem ütigen", sa g te sie.
g esa g t, Frankreich muß sich beeilen, mit dir w e rd e sanft mit ihm um gehen . . . "
Vertrag zu machen, denn auch Hollywood hat Sie b e g a b sich zu entfernten V erw an d ten , die
schon seine Fühler ausgestreckt." „Ich e rw a rte d en D oktor." die G elegenheit benutzten, über ihr eigenes
Unglück zu jammern. Schließlich beschloß sie,
„Und was hat er geantwortet?" „ D a n n w e r d e ich m o r g e n w ie d e r k o m m e n ." zu a r b e i t e n . . . Ein Schriftsteller, d e n sie b a t,
sie im T h e a te r unterzubringen, m achte ihr den
„Daß du wahrscheinlich gut tätest, Hollywood „D as ist zwecklos . . . " V orschlag, e r w olle 60 000 Franken in ein g e
z u z u s a g e n . N atü rlich h a b e ich ihm e n t g e g n e t : meinsames Unternehmen stecken, um eine ent
»Sie w e rd e n immer im Schlepptau Am erikas fa h „Auf morgen!" zückende Komödie eigener Schöpfung heraus
ren.« D as h a t ihn g e w u rm t. Ich bin d a v o n zubringen. Nur müßte Marceline die gleiche
überzeugt, er wird dir weiterhelfen. W ir w er „Fliegenpapier" brachte Marceline dazu, einen Summe anlegen, dann würde sie die Haupt
d e n natürlich beim e r ste n Film ein Loch zu rü ck Entschluß zu fassen. Dieser Tropfen ließ das rolle erhalten, die sie von heute auf morgen
stecken müssen . .. W enn aber der Regisseur G e f ä ß überlaufen. Robert b e h a rrte d a ra u f, im bekannt machen würde. Sie erbat Rat bei ein
dich sieht, dann wird ihm bestimmt der Mund Bett zu bleiben und auf ein unwahrscheinliches flußreichen Persönlichkeiten, die früher bei den
vor Staunen offenstehen." W under zu warten. Auf die besorgte Frage Einladungen immer so nett w a ren und die ihr
seiner Frau: „W o tut es dir weh, mein Herz?" jetzt ein verdrossenes Gesicht oder eine ihrer
Um die W ahrheit zu sagen, zeigten w eder der antwortete er unbestimmt: „überall." Marceline Meinung nach verletzende Herablassung zeig
Zerberus am Eingang des Ateliers noch der bemerkte, d a ß er seine N ägel nicht mehr po ten. Dennoch b ew ah rte sie sich eine sinnlose
Regisseur das geringste Erstaunen bei Roberts lierte, und der Anblick dieser einst so glän H o ffn u n g : „Ich bin nicht d a r a n g e w ö h n t . . . Ich
Erscheinen. Einer der Herren erklärte: zenden, heute trüben N ägel stimmte sie so habe noch nicht die richtige M ethode gefunden.
traurig, als o b sie R obert in Lumpen um seinen Ich w e r d e sie finden." Bald m a c h te sie ihre
„Rigogne erla u b t sich wohl w ie d er einen Spaß. U n te rh a lt b e tte ln s ä h e . Ich h a b e ein Kind g e G ä n g e zu Fuß, um so g ar das G eld für den
Er h a t uns schon se c h z e h n Leute geschickt. Er h eiratet, d a ch te sie, ein arm es Kind . . . Und Autobus oder die Untergrundbahn zu sparen.
vergißt wohl ganz, d a ß uns das jedesmal runde sie v e rs ta n d d ie unglückliche V e rein sa m u n g , in Eines M orgens, als sie den Boulevard Pereire
viertausend Franken kostet. Also gar nicht erst der sie lebten. Robert bestach das Mädchen, entlangging, über den der Wind einen scharfen
e in e P r o b e a u f n a h m e . Ich sc h la g e Ihnen e in e kleine dam it sie ihm heimlich Schlaftabletten brächte. Regen peitschte, hörte sie, wie jemand sie
Rolle vor, nicht g e rad e Statisterie, a b e r auch Er fiel in e in e n d u m p f e n Schlaf, und e r e r k lä r te anrief:
nicht das, w as man so eine richtige Rolle nennt. ihn so: „Ich h a b e zu viele Sorgen. Verzeih mir,
Bleiben Sie, wie Sie sind. Man wird Sie schmin a b e r ich h a b e zu viele S o rg e n ." „Frau Tavernon! Wohin gehen Sie? W o haben
ken. Sie s p ie le n e in e n ju n g e n M a n n . Er k o m m t Sie denn Ihren W a g e n ? Steigen Sie ein, bitte."
die Marquise de Bruigne besuchen. Sie treten Sie versuchte allerlei. So bat sie Herrn Galim- Es w a r ein g e w i s s e r G u i s s o tt e , d e r v iele n V e r
ein. Die Marquise liegt auf einem Diwan auf berteaux um eine Unterredung. Von Jean- waltungsausschüssen Vorstand. Guissotte glänzte
dem Bauch und kaut an einer Orchidee. Sie Claude, seinem ältesten Sohn, wurde sie em p in d e r G e se llscha ft e b e n s o w ie in d iesen A us
machen vor ihr eine Verbeugung und sagen: fangen. schüssen. Er h a tte e in e n s c h ö n e n ,, ka u m e r
»Ist Albert nicht zurückgekomm en, verehrteste grauten Bart; skeptisch und nachsichtig wie er
M arquise? Sie müssen sehr beunruhigt sein.« „ P a p a ist in e in e r Besprechung", s a g te er. war, schien er jederzeit bereit, seine ring
Dann treten Sie ab. G lau b en Sie, d a ß Sie das geschmückte Hand zu erheben, um der Ansicht
können?" „Ich w erd e noch einmal herankom m en." des ehrenwerten Herrn Vorredners zuzustimmen,
o h n e diese auch nur im geringsten zu verstehen.
„Gewiß", bestätigte Robert. „Aber nur Unter Sobald Herr Guissotte zwei Drittel seiner
gebene reden eine Marquise mit »Marquise« an. O possum decke über ihre Knie g ebreitet hatte,
Nur Herzoginnen und Prinzessinnen haben An fühlte M arceline sich besiegt.
spruch au f den Titel."
„Ihrem Apollo geht es gut?" fragte er.
„Ach was, fangen Sie nicht an, den Text zu
bekritteln! Richten Sie sich nach dem , w as d e r „ N e in . Ich m a c h e mir S o r g e n ."
Autor geschrieben hat."
„O je! Kommen Sie zu mir, d o rt können wir
„Nicht so wichtig", intervenierte Marceline besser miteinander sprechen, mein Kleines!"
diplomatisch, „diese Herren wissen, w as sie zu
tun haben." Mein Kleines! Dieser g r o ß e M ann, d e r ihr
bisher mit unendlichem Respekt begegnet w ar
Dieses G esp rä ch spielte sich um 9 Uhr m orgens und v o r Glück schwach w u rd e , w enn sie ihm
ab. Um 4 Uhr nachmittags w ar Robert an der gestattete, ihre Fingerspitzen zu küssen! M ar
Reihe, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. celine sträubte sich innerlich, a b e r sie e rg a b
Eine Minute sp ä ter w a r er frei und im Besitze sich bald. Eine Idee verfolgte sie. Bloß ein
von 100 Franken, seinem ersten selbstverdienten p a a r Scheine, um mich von dem Kaufmann frei
Geld. zu machen und die Brieftasche meines Ärmsten
aufzufüllen.
„Heb dir den Schein auf", sagte Marceline,
„wir w erden ihn einrahmen." Der W ag en hielt vor einem prächtigen Kasten.
Herr Guissotte öffnete die Tür zu seinem Büro.
„ D as ist keine schlechte Idee." Ein d u n k e l g e k l e i d e t e s , a b e r r o s a a n g e m a l t e s
Mädchen ordnete nachlässig die Bücher. „Lassen
Den Kaufmann, dem sie noch Frühstück, das Sie uns allein, Juliette!" befahl Herr Guissotte.
Mittagessen und Abendbrot ihres letzten Emp Juliette gehorchte, w obei sie der Eingedrun
fanges schuldeten, hatten Marceline und Robert g e n e n e in e n h a ß e r f ü l lt e n Blick z u w a r f. Als sie
„Fliegenpapier" getauft. Dieser Horlaville w ar
hartnäckig und stöhnte unheimlich. S c h l u ß a u f S e i t e 20