Page 5 - mosaiko6_49
P. 5

KIND           ▼on
      Dr. V era G aupp

Die Aufgaben, neben meiner großen beruflichen Arbeit den Kindern den
9inen zustehenden Raum in meinem Leben zu g e w äh re n , ihre Erziehung
zum Teil a n d e re n überlassen zu müssen, sind nicht g a n z leicht. A b e r die
lebendige W elt der Kinder sorgt auch wieder dafür, aufgeschlossener
und verständnisvoller, reicher an eigenen Erfahrungen für die eigene
A rbeit zu sein, und d a s b e ste P rädikat für uns drei ist, d a ß m an von
allen Seiten immer wieder versichert bekommt,, daß man nie auf den
G edanken käme, d a ß es nicht meine eigenen Kinder seien.

 Die G ründe für die Aufnahm e eines Kindes sind verschiedener Art.                            W ill mich d enn n ie m an d h a b e n ? Ich b e iß e n ic h t,  Foto: Rohrbach
Meist sucht die Frau ein Spielzeug, ein M ädchen, das sie hübsch kleiden
 kann, benähen und bestopfen, an dem sie ihre mütterlichen Triebe aus­
leben kann. Gleichzeitig sucht sie einen Inhalt für ihr nicht g a n z a u s ­
gefülltes Leben und einen Trost für die Einsamkeit des Alters. G eht die
Entwicklung de s Kindes nicht in d e r von ihr gew ünschten Richtung, ist
sie auch bereit, die Verbindung w ieder zu lösen. A ndere Frauen,
b e s o n d e rs a lle in s te h e n d e b eru fs tätig e, zu d e n e n ich mich auch rechnen
 m öchte, h a b e n doch im g a n z e n w e n i g e r egoistische G r ü n d e . Bei
 ihnen wird die Adoption eines Kindes wohl niemals eine Hand­
lung sein, die sie schlimmstenfalls w ieder rückgängig machen können,
sondern sie haben das Problem von vornherein vom Gesichtspunkt
des kindlichen W ohlergehens bedacht, w eniger von dem der eigenen
mütterlichen Sehnsucht. Somit sind sie gedanklich und seelisch auf die
sie e rw a rte n d e A u fg a b e nah ezu vollständig vorbereitet. Bei voller
Einsicht in die g r o ß e M acht d e r V ererb u n g und d e n mit d e r G e b u rt
schon g e g e b e n e n A n lag en und B e g ab u n g en suchen sie au s eig e n en Er­
fah ru n g e n und Fähigkeiten die reichen b e steh e n d en Möglichkeiten im
Kinde zu e rschöpfe n, d e m o d e r d e n Kindern in ein er g e b o r g e n e n m ütter­
lichen Hut und in g e o r d n e te n V erhältnissen die b esten B edingungen für ein
leibliches und seelisches G edeihen zu verschaffen, schwache Anlagen zu
stärken, ungeordnete Triebe zu regulieren und disziplinieren, bereit, alle
Schwierigkeiten a u f sich zu nehm en, und wohl wissend, d a ß d a s a n sich
schon voll ausgefüllte und nicht leichte Leben noch um einen beträcht­
lichen Teil a n V eran tw o rtu n g und M ühsal erschw ert wird. Jed o ch , um
es mit G oethe zu halten: „Durch ein p a ar Züge aus dem Becher der
Liebe hält die N atur für ein Leben voll Mühe schadlos".

WIE AD O PTIER T MAN EIN KIND?

 Die A d o p tio n eines Kindes ist in d e n m eisten          Sind Sie verheiratet? Die Vermittlungsstelle                 ekelerregenden Gebrechen dürfen verständ­
 Fällen eine Angelegenheit der zukünftigen                     gibt lieber einem E hepaar ein Kind, weil sie                licherweise kein Kind a d o p tieren .
 Adoptivmutter. Seltsamerweise werden nach                     annimmt, d a ß ein Elternpaar diesem natürlicher­
 w ie v o r M ä d c h en b ev o rzu g t, und es ist g a n z    weise eine bessere Lebensbasis bieten kann als               Sind alle Fragebogen ausgefüllt und alle For­
 selten, d a ß jemand einen Jungen annehmen                    eine alleinstehende Frau (vom menschlichen                   m alitäten erledigt, dann wird den Eltern das
möchte. Diese Tatsache bildet das Gegenstück                   S tandpunkt aus betrachtet, b e w ah rh eitet sich           Kind für eine Probezeit übe rg eb e n . W ä h re n d
zu dem eindeutigen Wunsch nach dem Sohn,                       diese Annahm e allerdings nicht immer). Die                  der Probezeit überwacht die Vermittlungsstelle
d e r bei den meisten Eltern vorherrscht, wenn                Adoptivmutter soll theoretisch über 50 Jahre                  Eltern und Kind. Jedoch kom m t es, da n k d e r
 es sich um ihr leibliches Kind handelt, und                  a lt sein. In d e r Praxis ist d i e s e r G ru n d s a tz    gründlichen Siebung nach sinnvollen Gesetzen
beru h t zum g rö ß te n Teil a u f dem Vorurteil, d a ß      jedoch nicht durchführbar, d e n n es ist für eine            und Richtlinien, selten zu einer Rückgabe des
man von einem Sohn „weniger hat".                              Frau in diesem Alter, zumal w enn sie keine                  Kindes. Nach einer halbjährigen Probezeit,
                                                              eigenen Kinder gehabt hat, nahezu unmöglich,                  beim Säugling nach Erreichen des ersten Lebens­
D er W e g , ein Kind zu a d o p tie re n , ist fo lg e n ­   mit einem Baby oder Kleinkind richtig umgehen                jahres, wird der Adoptionsvertrag geschlossen.
der: Man kann bei den Jugendämtern Auskunft                   zu können. Die A doptivm utter kann also im                  Beim unehelichen Kind — in d en meisten Fällen
einholen, w o sich eine A doptionsverm ittlungs­              g e g e b e n e n - Fall von dem A lterserfordernis b e ­    handelt es sich um ein solches — schließt d er
ste lle b e fin d e t. Es ist b e s s e r und im In tere sse  freit w erden und muß dann ein ärztliches Attest             Vormund des Kindes den V ertrag mit den zu­
sowohl d er Eltern als auch des Kindes, wenn                  beibringen, d a ß sie selbst keine Kinder bekom ­            künftigen Eltern, doch ist — bei Lebzeiten d e r
sie sich an eine neutrale Vermittlungsstelle                  men kann. Unmöglich wird eine Adoption,                      leiblichen Mutter — immer deren notariell be­
wenden, denn die private Vermittlung ergibt                   wenn eigene Kinder vorhanden sind (spezielle                 g l a u b i g t e r Verzicht a u f d a s Kind nötig. Ist d e r
später häufig Komplikationen dadurch, daß die                 familiäre Fälle ausgenommen).                                Vertrag abgeschlossen, dann g ib t/es — von
Adoptiveltern die leibliche Mutter persönlich                                                                              Ausnahmefällen abgesehen — kein Zurück mehr.
kennen und diese umgekehrt weiß, wo und bei                   Als nächstes wird die wirtschaftliche Lage der
w em ihr Kind g e b lie b e n ist. Für alle Beteiligten       Eltern in sp e geprüft. M an versucht, für ein Kind          Die Praxis zeigt, d a ß d ie ' A d o p tio n en in d en
ist es v orteilhafter, keine Privatverbindung zu              selbstverständlich Eltern in möglichst gesicherten           meisten Fällen gut ausgehen. Das mag daran
h a b en und über die sachlich notw endigen In­               und soliden wirtschaftlichen Verhältnissen zu                liegen, d a ß die W ahleltern ein großes Verant­
form ationen hinaus keinen persönlichen Kontakt.              finden. Die Betreffenden müssen es sich gefallen             wortungsbewußtsein, viel Überlegung und Ver­
                                                              lassen, d a ß ihr H aushalt von einer Fürsorgerin            ständnis von vörnherein mitbringen — oft mehr
Die Frau, die zur Adoptionsvermitilungsstelle                 e in g e h en d g e p rü ft wird. W e ite r ist d e r G e ­  als die leiblichen Eltern; denn: Eltern w erden
kommt, um ein Kind zu a d o p tieren , wird selbst­           sundheitszustand der Eltern ein wichtiger Punkt.             ist nicht s c h w e r .. . wie jeder w eiß — Eltern
verständlich auf Herz und Nieren geprüft und                  Menschen mit ansteckenden Krankheiten oder                   sein um so mehr! Das Eltern-sein nun bedeutet
muß sich a u f einige M ühen g e fa ß t machen.                                                                            heute ganz besonders einen der wenigen mensch­
P ie erste Frage, die man an sie richtet, lautet:                                                                          lichen W erte, die einen gewissen Bestand haben.
   1   2   3   4   5   6   7   8   9   10