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K l in ik e n “                                                           schlossen, ständig ansteigende Lebenshaltungs­                        sam m it einer Freundin einen Teeladen zu e r­
                                                                          kosten zw ingen viele Ehefrauen zum M itve^-                          ö ffn e n , b e gann fü r d ie V e re in ig te n Staaten 1917
der Mrs. Jane Todd                                                        dienen. N a tü rlich g ib t es auch zahlreiche A m e ri­              der W e ltk rie g , und Jane startete eine Rote-
                                                                          kanerinnen, die ein eigenes Unternehm en zur                          K re u z-K a ntin e in der N a c h b a rs c h a ft eines Laza­
iionderkorrespondentin Annem arie Langem                                  Selbstbetätigung brauchen, als V entil ihrer                          retts. A u ß e rd e m kochte sie e in m a l in der W o c h e
                                                                          Energien, fü r d ie in den e igenen v ie r W ä n d e n                fü r ein Frauenwohnheim das A b e n d b ro t und
     K rim inalreißern und Detektivschm ökern einrich­                    nicht g e n üg e n d Raum ist.                                        ve rs o rg te den . e ig enen H au sh a lt, in dem zehn
     ten. Sie kann S chaufensterdekorationen für                                                                                                oder zw anzig Besucher und Gäste eher Regel
     kleine Läden e n tw e rfe n , sie kann, sie k a n n .. .             Viele der G oldgruben-A spirantinnen bekommen                         als A usnahm e b ild e te n . Sie w u rd e Leutnant im
     A ll diese und tausend andere D inge sind von                        in den K lin ike n F ing e rze ig e , d ie den U nterschied           am erikanischen M oto rko rp s und chauffierte w äh­
     un tern e h m e n d e n Frauen im S taate N e w Y ork                zwischen V ersager und Schlager bedeuten. So                          rend der N achkriegs - G rippeepidem ie kranke
     g e ta n w o rd e n . D ie N ö te und E rfa h ru n g e n im          w urde Mrs. Jones geraten, ihre Taschentuch­                          Soldaten zum und vom Lazarett.
     eigenen Haushalt, in d e r eigenen Küche und                         be h älte r nur in b la u -w e iß oder ro t-w e iß anstatt            Zu ih rer eig e n en Ü berraschung g e rie t sie in das
                                                                          kunterbunt zu halten und dazu passende Strum pf-                       örtliche Frauenkom itee der republikanischen Par­
      Kinderstube s o y ie ein offenes O h r fü r die Be­                 und Handschuhkäsfen anzufertigen.                                     te i, w u rd e d e re n P räsidentin in ihrem H e im a t­
      dürfnisse des N achbarn und das scharfe Beob­                                                                                             städtchen T errytow n, organisierte den ersten re­
      achten der M ode- und G eschmacksentwicklung                        Besonders interessant schien m ir die Geschichte                      publikanischen Klub fü r N egerinnen und w urde
      wecken eine Fülle von G eschäftsideen.                              einer jungen N e g e rin aus N e w Y ork, W in ifre d                 eines Tages in d ie ge se tzg e b e n d e K örp e rsch a ft
      In den K a rriere -K lin ike n stehen jed e r New-                  M ason. H a lb zum Spaß e n tw a rf sie ein M e ­                     des Staates N ew York gew ählt.
      Y o rke rin unentgeltlich Fachleute zur V erfügung                  d a illo n , und es e rre g te A ufsehen. H eute w e rd e n           „Es besteht gar kein so g roß er Unterschied zwi-.
      die ihren Plan oder ihren A p fe lstru d e l unter die              ih re Schmuckstücke in den te u re n G eschäften                      sehen H a u sh a ltfü h re n und G esetzem achen . ist
      schärfste Lupe nehmen, ehrlich beurteilen, ob                       der Fifth Avenue ve rka u ft und haben eine M o d e ­                  ihre Ansicht. „Im S ta a tsh a ush a lt kom m t es genau
      d ie Idee g u t ist o d e r nicht. H ie r e rfä h rt d ie           w elle geschaffen. Vor zwei Jahren erhielt W in i­                    w ie Im p riv a te n d a ra u f an, zu sparen, u n n ö tig e
      N e w -Y o rkerin , welche finanziellen Voraus                      fre d ein S tip e n d iu m , das ih r eine Reise nach                 Ausgaben zu beschneiden, a uf alle Kleinigkeiten
      Setzungen fü r den Start eines eigenen G e ­                        den W e stin d isch e n Inseln e rm ö g lich te , w o sie             zu achten, die die Räderchen g e s c h m ie rt halten,
      schäftes e rfo rd e rlich und welche Lokalitäten um­                die Volkskunst der dortigen N eger studierte                           und jedem einzelnen Fam ilienm itglied gesunde
      satzsichernd sind, w ie man im G ro ß e n e in k a u ft,             und A nregungen zu w e ite re n A rb e ite n in Bronze,               Lebensbedingungen zu sichern.
      S elbstkosten, A rb e it und P ro fit k a lk u lie rt, Buch          K upfer und Silber gew ann. Kein Stück, das die                       G elegentlich hört man erheiternde Kommentare
      fü h rt, Reklame macht, was man von K re d it­                       kle in e W e rk s ta tt in G re e n w ic h -V illa g e ve rlä ß t,    zu neuen G esetzen. A ls ich das 72-Stunden-
      wesen, G esetzbestim m ungen und Versicherungen                      gleicht dem anderen.                                                  W arteg e se tz durchgebracht hatte, gingen Z ei­
      wissen muß, w ie man ein Patent b e a n tra g t und                                                                                        tun gsre p o rte r zu den verschiedensten Leuten,
      F a b rik a n te n o d e r K le in h ä n d le r fin d e t, die. an   Ein u n g ew öh n lich e s S te cke n p ferd h a t auch M rs.         um deren Ansicht d a rü b e r einzuholen. Die
      der H erstellung oder dem V ertrieb des Pro­                         Southw ell zu G ew inn und Selbständigkeit ver­                       meisten fa n d e n es ausgezeichnet. Zu vie le junge
      duktes interessiert sind. A uß erdem , unterhält                     h o lte n. Seit Jahren w a r sie leidenschaftlich an                  M änner und M ädchen hatten auf irgendeiner
      die A bte ilu n g für Handel des Staates N e w York                  den verschiedenen Kräutern interessiert und                           nächtlichen Party Hals über K o p f beschlossen, zu
      eine ausgedehnte Konjunkturforschung, deren                          züchtete selbst a lle m öglichen V a ria tio n en . Zu                heiraten. Der Friedensrichter w urde g u s dem
       Ergebnisse in e in e r ve rstä n d lich e n Form z u g ä n g ­      W eihnachten verschenkte sie kleine Bündel da-
       lich sind.                                                          von „m it schönsten G rüßen zum T ruthahn". Ihre                      Bett g eholt und mußte w ohl oder übel die
                                                                           Freunde w aren begeistert und verlangten mehr.                        Trauung vollzieh e n. Am nächsten Tag w a r das
       Das M o tiv fü r die Eröffnung eines eigenen Ge                     So e röffnete Mrs. S outhw all einen kleinen Laden,                   Entsetzen dann o ft groß. Doch eine junge Stu­
       schäftes e n ts p rin g t auch in A m e rik a meistens              in dem sie den Besuchern a lle s e rz ä h lt, w as sie                dentin e rklärte dem R eporter: »Wenn die alte
       der w irtschaftlichen N o tw e n d ig k e it. N icht selten         über Kräuter und Kräuterglauben herausgefun­                          Jungfer Todd eine Heiratschance hätte, möchte
       s° l l heran w a ch se n de n K indern eine ko stsp ie lig e        den hat, und nebenbei v e rk a u ft sie m it ständig                  ich m al sehen, o b sie b e re it w ä re , 72 Stunden
       Ausbildung erm öglicht werden. Hunderttausend                       steigendem Umsatz Speisegewürze, duftende                             zu w arten.«"
       Frauen haben nach Kriegsende den A rbeitsplatz                      Einlagen fü r den W äscheschrank, Tischdekora­                        Der stellvertretende Leiter der A bteilung fü r
       V6 H oren , als d ie R üstungsfabriken ihre Tore                    tionen und Spezialzusam m enstellungen an                             H andel des Staates N e w Y ork lächelt sehr
                                                                           Katzenbesitzer, deren Tiere m erkw ürdigerw eise                      m ütterlich am üsiert und kein bißchen altju n g te rn -
                                                                           auch ihre Lieblingsgerüche haben. „Ich w eiß                           haft beim Erzählen.
                                                                           nicht, w ie v ie le Frauen im S taate N e w Y o rk ih r                „Ein Heim zu gestalten, ist noch immer die w ich­
                                                                           eigenes G e sch ä ft h aben, a b e r es sind m ehr als                tigste A u fg a b e der am erikanischen Frau. Die
                                                                           jem als z u v o r", sagt Jane T od d . Sie ist e ine le b ­           guten H ausfrauen können Familie und Gesell­
                                                                           hafte Fünfzigerin, eine jener Selbstsicheren, vor                     schaft und Staat Zusam menhalten und bessere
                                                                            denen auch der phlegmatischste Portier die Tür                        Lebensbedingungen fü r alle schaffen."
                                                                            a u fre iß t und die a u f die selbstverständlichste                  Die am erikanische Frau w ird heute von ihren
                                                                            W e ise d e r W e lt im M itte lp u n k t stehen, w o h in            Schwestern in a lle n a n d ere n Ländern der Erde
                                                                            auch im m er sie kom m en, o b man sie ke n n t o d e r               beneidet um ihren hohen Lebensstandard und
                                                                            nicht, eine Persönlichkeit, die anziehend auf
                                                                            andere Menschen virkt.                                                um d ie technischen W u n d e rg e rä te , d ie *hr aJ ,e
                                                                                                                                                  Haus- und Küchenarbeit vereinfachen. Aber die
                                                                            Jane T odd ist P o litike rin , ein in A m e rika nicht               A m e rik a n e rin b e w e ist auch heute noc , a sie
                                                                            u n b e d in g t a n g ese h e n e r Beruf. A b e r sie h a t eine    d ie Enkelin und U re n k e lin von Frauen ist, d ie
                                                                            ganze M enge getan, ihn respektabel zu machen.                        einm al, ebenso auf die eigenen Kratte a n ­
                                                                            V on 1935 bis 1945 w a r sie M itg lie d d e r gesetz­                gew iesen w a re n w ie nur je eine Frau im eu igen
                                                                            gebenden Versam m lung des Staates N ew York.                         Deutschland.
                                                                            Ihr N a m e ist w ä h re n d dieser Z e it im m e r w ie d e r
                                                                            im Zusam m enhang m it bahnbrechenden G e ­
                                                                            setzen genannt w orden. So hat sie erreicht, daß
                                                                          . H eiraten erst 72 Stunden nach der Lizenzbean­
                                                                            tra g u n g geschlossen w e rd e n d ü rfe n . Sie so rg te
                                                                            da für, daß Frauen den gleichen Lohn fü r gleiche
                                                                            A rb e it bekom m en und setzte die Berufung
                                                                            w eiblicher G eschworener zu G erichtsverhand­

                                                                            lungen durch.
                                                                            Für politische Fragen w a r bei Jane das Inter
                                                                            esse e rw a ch t, als sie en tde ckte , d a ß ih r V a te r
                                                                            und ihr Bruder gegen eine Verfassungsänderung
                                                                            stim m ten, ohne zu wissen w eshalb. Sie w ar
                                                                            siebzehn, als ih re M u tte r starb und sie d ie Füh­
                                                                            rung des Haushalts, die Sorge fü r den Vater,
                                                                            der A rzt w a r, und fü r zwei G eschwister über­
                                                                            nehm en mußte. M it solchem Elan stü rzte sie sich
                                                                            in d ie H a u sw irtsch a ft, d a ß sie b a ld d a ra u f
                                                                            Preise und „b la u e B änder" fü r ihre Backkünste
                                                                            und ihre Blumen gew ann. A chtzehnjährig ent­
                                                                            w icke lte sie zuerst ein reges W irk e n in der
                                                                            Ö ffe n tlic h k e it, indem sie W o h ltä tig k e its v e ra n ­
                                                                            staltungen organisierte.
                                                                            Als sie sich g e ra d e e n tsch lo sse n .h a tte , g e m e in ­
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