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BERUFSTÄTIGE                                                                                                   S o rg e n g e h e n sie jedoch zu m einer V e r w a n d te n , und ich d a rf nicht e ife r­
                                                                                                               süchtig sein, so n d e rn im G e g e n te il, ich muß d a n k b a r sein, d a ß es so ist.
          UND                                                                                                  Manchmal fällt mir das schwer, a b e r weil die Vizemutter wirklich zur
                                                                                                               Familie gehört und weil wir uns alle sehr gut verstehen, geht es dann
   HAUSFRAU?                                                                                                   doch. W ie g e s a g t: Diese Lösung ist d a s g r o ß e Los, und ich bin jed e n
                                                                                                               Tag von neuem d arü b er glücklich.
     y \e b este Frau, h a t G o e th e g e sa g t, ist diejenige, die d en Kindern
         d e n V a ter zu e r s e tz e n im sta nd e ist. Immer h a t es Frauen g e g e b e n ,                   Frau L., R ed a k teu rin b ei e in e r Z eitschrift. Sie ist 36 J a h re
                                                                                                                  a lt, seit 1945 W itw e, und so rg t a lle in fü r ih re d re i K inder,
 die das konnten, die mit harter, oft niedriger Arbeit ihre Kinder erhielten,                                     von d en en d as älteste 11, d as jü n g ste 7 J a h re alt ist.
 sie erzogen, den Söhnen das Erlernen eines Berufes, sogar das Studium
 ermöglichten, ihnen das Beispiel der Tüchtigkeit und Standhaftigkeit im                                       Zwei J a h re lang versuchte ich, eine beru fstätig e H ausfrau zu sein. Früh­
 L ebenskäm pfe g a b e n . Je tzt ist das, w a s früher eine b e w u n d ern s w e rte                        m o rg e n s und s p ä t a b e n d s m achte ich die B e so rg u n g e n und d ie nötigste
 Ausnahm e war, viel häufiger und insofern .leichter, als viele Berufe der                                     Haus- und N ä h a r b e i t , und von 10 bis 18 Uhr w a r ich im V e rlag tätig.
Frau offenstehen und sie die h e ranw achsenden Kinder besser in das                                            Ich h a tt e e in e Hilfe, e in e g u te B e kannte, die die Kinder h ü tete , ihnen
 Getriebe des öffentlichen Lebens einführen kann.                                                              da s v orbereitete M ittagessen w ärm te, au fp aß te , d a ß sie zur Zeit in die
                                                                                                               Schule gingen und bestenfalls ein bißchen Staub wischte. Andere Arbeiten
 In «len b e id e n W e ltk rie g e n h a b e n viele Frauen ihren Kindern d e n V ater                        w a re p ihr, d a sie nicht gesund war, zu schwer.
 ersetzen können, dem zarten Körper das Äußerste an Leistung a b ­                                              N a c h drei M o n a t e n m u ß te ich w e g e n Erschöpfung ins K ra n k en h a u s. Ich
 zwingend. Seit es nicht mehr ein einzelner Glücksfall, sondern                                                 g a b d a s jüngste Kind zu V e rw a n d te n und e n g a g ie rte mir eine p erfek te
 z w in g e n d e N o tw e n d ig k e it für d ie Frau ist, Berufe auszufüllen, die früher                      Wirtschafterin. Sie konnte zw ar alle Arbeiten erledigen, a b e r die Kinder
 dem M anne Vorbehalten waren, hat sie fast vergessen, daß jahrzehnte­                                          nahmen ab und mein sowieso schon zusammengeschmolzener Wäsche-
 lang um den Eintritt der Frau in d a s Berufsleben g eru n g en w u rd e , und                                ,b e s ta n d auch. Kurz: d ie Pe rfekte stahl. Ich n a h m e in e a n d e r e . D a s­
 welche O pfer die Vorkämpferinnen bringen mußten, bevor sie auch nur                                           selbe. Ich n a h m eine dritte und m u ß te w i e d e r a lle s selb st macherr, d a
 teilw e ise ihr Ziel erreichten. Es ist w ün sch ensw ert, d a ß d ie junge G e n e ­                          sie z w a r ehrlich, a b e r nicht p e rfe k t w a r . Ich versuchte es# ein h a lb e s
 ration dessen eingedenk sich b e w ußt bleibt, d a ß ihre jetzige Lage ein                                     J a h r w i e d e r a u f Kosten m ein e r G e su n d h e it. Ich n a h m ein e v ierte, a b e r
 Preis lan g e r M ühen ist, eine Frucht, die ihr vom M a n n e y o re n th a lte n w ar,                       sie v e rtru g d ie Kinder nicht. Ich nahm ein e Kinderschw ester, a b e r sie
 und die ihr von mancher Seite vielleicht noch lange geneidet w erden wird.                                     ko n n te nicht w irtschaften. Sollte ich m einen Beruf, d e n ich v o r m einer
 Das Vorurteil, daß die Frau durch Teilnahme an männlicher Berufsarbeit                                        Heirat g e le r n t h a tte , a u f g e b e n ? W o und w ie ko n n te ich e in e n M enschen
 a n weiblichem Reiz, ü b e rh au p t an weiblicher Eigenart verlöre, ist längst                                finden, d e r zugleich f ä h i g und e h r l i c h w ar. Ich v e rlo r d e n Mut.
 ü b e rw u n d e n ; es hat sich gezeigt, d a ß die Frau durch vielseitige Be­                                 Ich g a b auch die b e id e n a n d e r e n Kinder w e g , in ein Heim. N un a r b e i t e t e
 tätigung, durch Entwicklung all ihrer Fähigkeiten, dadurch, d a ß neben die                                    ich u nge stört, um d a s n ö tig e G e ld für d ie Erhaltung d e r Kinder zu v e r ­
 persönlichen auch sachliche Interessen getreten sind, an Reichtum und                                          dienen, habe keine direkten Sorgen durch sie, aber auch keine Freude.
 ausgeprägtem Umriß der Persönlichkeit gewonnen hat. Dadurch sollen                                             Ändern kann sich d as erst, w enn die Kinder so g ro ß sind, d a ß sie sich
 nicht diejenigen Frauen herabgesetzt w erden, für die es nur den Beruf                                         selbst und damit auch mir helfen können.
 d e r H a u sfra u und M u tter gibt. In ein em k inderreichen H ause, in einem
  Hause, dem viele gesellige Pflichten oblagen, als Betreuerin einer b e ­                                         F rau N ., 43 J a h r e a ll, seit 1942 K riegsw itw e. Sie ist
 dürftigen Umwelt, als Frau eines unordentlichen oder lasterhaften                                                 Küchenhilfe in einem Klub, nachdem sie von d e r Post­
 Mannes, hatte die Frau schon immer bedeutende Aufgaben, die sie oft                                               botin bis zur Trüm m erfrau allerlei Berufe durchprobierl
  in b e w u n d ern s w e rte r W eise g elöst hat. D erartige A u fg a b e n sind a b e r                        h a t. Ih re K inder, zw ei J u n g e n , sin d 8 u n d 15 J a h r e a lt.
  d er Frau auch jetzt gestellt, denn die N atur, die sich nicht ändert, gibt
 sie ihr.                                                                                                        Bis jetzt h a b e ich es e in i g e r m a ß e n gesc hafft, d e n H a u s h a lt und die Kinder
                                                                                                                zu v e r s o r g e n und zugleich G e ld zu v e rd ie n en . A b e r ich h a b e g e s u n d ­
 Aus einem unveröffentlichten Aufsatz von Ricarda Huch                                                           heitlich g e h ö rig e in g e p a c k t d a b e i , ich bin e in e a lte Frau g e w o r d e n und,
                                                                                                                was noch schlimmer ist: die Kinder kennen g a r kein richtiges Familien­
                                                                                *                                leben und müssen stets und ständig vernünftig sein. Zum Glück sind sie
                                                                                                                 gutartig und wollen mir helfen, w o sie nur können. Doch als Mutter
   Sow eit die Jbeorie, die, wenn man es redht bedenkt, durchaus positiv ist:                                    möchte man d as nicht so gern, vor allem nicht immer. Früher, als der
  Z w e ife llo s g e w in n t jed er ‘M en sd b durch ein e V ie lfa lt von g e ste llte n u n d e rfü llten   Jü n g s te noch kleiner w a r, a r b e i t e t e ich als Postbotin. Da b r a u c h te ich
  Jorderungen. W ie aber siebt beute das Problem , d a ß eine Trau B erufstätige und                             nicht d e n g a n z e n T ag a u ß e r H aus zu sein. Dafür w a r ich mit derw G e ld
  H au sfrau zugleich sein m uß, in der P raxis aus?                                                             k n a p p e r. J e tz t m ac h e ich es s o : M o rg e n s, w e n n ich zum Dienst g e h e ,
                                                                                                                 brin g e ich d e n Kleinen in eine W ä r m e h a l le . Von d o r t wird e r zur Schule
  Es ist unm öglich, einen fM ebr-P ersonen-H ausbalt zu betreuen und außerdem                                   geschickt. Die Schulspeisung ist sein M ittagessen. W en n e r nach H ause
  einen B eruf auszu üben! D as sag t jede Tdur-H ausfrau, die sidb allein für ihre                              kommt, bin ich m eistens noch nicht zurück. Er h a t d e n W o h n un gssc hlüsse l
  Jam ilie J a g für J a g von m orgens bis abends ab stra p a ziert und tro tzd em                              mit, a b e r d a s ist für mich eine richtige A ngstpartie. W e n n e r ihn v e r­
  niem als alles schaffen kann. U n d d o c h ... Es g ib t beute viele Jrauen, die als                          liert o d e r die Tür nicht gut zumacht! Man kann von einem Kind doch
  M u tier und H ausfrau für ihre K inder sorgen und zugleich in einem Beruf Qefd                                nicht zuviel v erlangen! Und d e r G ro ß e ist den g an ze n Tag w eg, au f
  v e r d ie n e n m ü ssen . “W ie sie d a s m achen, sch ein t ein R ä tse l. Es in te r e ss ie rte uns,      seiner Lehrstelle. A b e n d s koche ich für d e n nächsten Tag und b rin g e d i e
   einm al dahin ter zu kom m en, und w ir fragten einige Jrauen, die in einer solchen                          Sachen in O rdnung. M anchmal, wenn d e r Kleine die Schularbeiten v e r­
  schwierigen Lage sind, wie sie denn dam it fertig würden:                                                      ge sse n hat, helfe ich ihm noch d a b e i , a b e r es k o ste t mich g r o ß e Ü b e r ­
                                                                                                                win dun g, weil ich im m er t o d m ü d e bin. Ich w ünschte mir nur, d a ß d i e
                                                                                                                 Preise wieder normal werden, dam it man nicht soviel stopfen und flicken
                                                                                                                 muß, daß man mal etwas Neues kaufen und auch besser 'essen könnte.
                                                                                                                 Dann wären wir bestimmt ganz zufrjeden.

                                                                                                                    Frau H ., Z eich n erin und M ale rin , 38 J a h r e a lt. Sie ist
                                                                                                                    Kriegswitwe, hatte glücklicherweise ihr Studium vorher
                                                                                                                    abgeschlossen und muß heute für sich und ihre 10jährige
                                                                                                                    Tochter sorgen.

  Frau Dr. G ., leiten d e Ärztin in einem K inderkrankenhaus.                                                  Ich bin z w a r M alerin, a b e r m eine „ G e n i a li t ä t " g e h t mir selbst a u f d i e
  Sie ist 40 J a h re a lt, seit 10 J a h re n a lle in ste h e n d und b e ­                                  N erven, denn sie bezieht sich hauptsächlich a u f d a s hausfrauliche G e ­
  ruflich tä tig . Ihr g esch ied en er M ann lebt im A usland.                                                 biet. W e n n ich in e in e r A rb e it stecke, fällt es mir schwer, auch nur a n s
  Sie m uß a lso a lle in fü r ih re b e id e n K inder, d ie jetzt 11                                         Telefon zu gehen, geschweige denn, pünktlich die nötigen Einkäufe, das
  und 13 J a h re a lt sin d , s o rg e n .                                                                    Frühstück, Mittagessen, A bendbrot, die Schule, H ausaufgaben, Nacht­
                                                                                                               g e b e t und w as ein Kind sonst noch braucht, einzuhalten. Trotzdem v e r­
Ärztin und H a u s f ra u zugleich zu sein, d a s g e h t nicht. Es sind zw ei u n v e r ­                     suche ich es, a b e r mein Haus'halt sieht d a n n a u s wie S o d o m und
einbare Dinge, weil beide „Berufe" einen Menschen ganz und gar                                                 Gomorrha. Außerdem gehen solche Versuche auf Kosten meiner künst­
bra u c h e n und m an sie nicht nur halb a u s ü b e n kann. Ich h a b e d a s Pro­                           lerischen A rbeit, und ich w e r d e nervös. Das w ie d e ru m g e h t a u f Kosten
b lem g elö st, indem ich d a s g r o ß e Los z o g ! Ich fa n d e in e n M enschen, ein e                     m einer Tochter, und sie tut mir leid. So muß ich mich u n e n tw e g t hüten,
V e r w a n d te , d e r e n F reude und L ebensinhalt es ist, mir d e n H au sh alt zu                        nicht in einen circulus vitiosus d e r Unlust o d e r W u t zu g e ra te n . O h n e
f ü h re n und m eine Kinder zu e rziehe n . Sie w u r d e a ls o H a u sfra u und ich                          Kind h ä tte ich es beruflich leichter, a b e r um nichts a u f d e r W e l t m öchte
Fam ilienv ater, und unsere Arbeitsteilung w a r d e m e n ts p r e c h e n d . Ich ko n n te                   ich es missen! Trotz d e r Schwierig keiten nicht! J a — d a s ist ü b e r h a u p t
und kann mir die s e Lösung e r la u b e n , weil ich g e n u g v e rd ie n e , um einen                       d e s Pudels Kern: d ie h e u tig e n Schwierig keiten. In n o rm a le n Z eiten
solchen kompletten Haushalt aufrechtzuerhalten. Selbstverständlich muß                                          könnte man mit einem einzigen Kind g a n z b e q u em noch eine berufliche
ich so w eit a u f meine Kinder verzichten, wie je d e r V a te r es n o rm a le r­                            Arbeit schaffen, vor allem, wenn man sie zu Hause erledigen kann.
w e ise auch tut. Ich s e h e sie bestenfalls m o rg en s und a b e n d s , b eschäftige                        Heute jedoch macht man sich, je länger dieser Zustand sinnloser Lebens­
mich a m S o n n ta g , w e n n ich nicht zu a b g e s p a n n t bin, mit ihnen und b e ­                      erschwerung anhält, langsam a b e r sicher kaputt, kommt nicht vorwärts,
handele sie, wenn sie krank sind. Mit allen ihren kleinen und großen                                            und d a s Kind erhält durch d as zwangsläufig u n g e o rd n e te Leben ein m ö g ­
                                                                                                                licherweise irreparabel schlechtes Beispiel und leidet darunter.
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